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Die Runen der Erde - Covenant 07

Die Runen der Erde - Covenant 07

Titel: Die Runen der Erde - Covenant 07 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Zeitspanne lang, deren Dauer sie nicht ermessen oder hätte verstehen können, teilte sie die Trauer der Sterne und weinte mit ihnen und fühlte keinen anderen Schmerz.
     
    *
     
    Irgendwann rückten die Sterne jedoch näher, bis sie zum Druck des Sonnenscheins auf ihren Lidern wurden. Wärme fächelte über ihr zerschlagenes Gesicht, während eine verwirrende Vielfalt tanzender Konstellationen durch ihr Blickfeld zog. Als sie so dalag, schien ein gewaltiges Schweigen sie zu bedecken – eine Stille, der das zarte Säuseln der Brise und entfernte Vogelrufe Tiefe und Definition verliehen. Unter ihrem Körper spürte sie kühle Felsrippen als Gegensatz zu der sie umgebenden Wärme. Tiefe Mattigkeit hielt sie erfasst, als hätte sie ihre gesamte Kraft verausgabt. Sie hätte sofort einschlafen können, wo sie lag. Jeder Atemzug tat ihr in der Brust weh. Sie fühlte sich von Kopf bis Fuß wie zerschlagen, als sei sie in einen schweren Unfall verwickelt und von Zerstörung umgeben gewesen. Und trotzdem konnte sie atmen. Soviel sie beurteilen konnte, hatte sie nur Prellungen, keine Knochenbrüche erlitten. Die Luft roch nach Staub und aufgewühlter Erde und würde sie bald zum Husten bringen.
    Vorerst reagierte Linden jedoch nur auf ihre Süße.
    Der Fels unter ihr schien erst vor kurzem beschädigt worden zu sein. Sie nahm seinen granitenen Schmerz, die rohe Qual frischer Wunden undeutlich wahr. Wäre sie imstande gewesen, ihre Wahrnehmung zu verlangsamen und an seinen erhabenen Pulsschlag anzupassen, hätte sie ihn vielleicht stöhnen hören können. Irgendwie war sie auf den Trümmern des Kevinsblicks gelandet, statt unter ihnen begraben zu werden. Und sie hatte den Aufprall überlebt. Nach so tiefem Sturz war sie sanft genug gelandet, um am Leben zu bleiben.
    Wieder wilde Magie.
    Aber wo war Anele? Sie hatte ihn bei ihrem Sturz verloren. Seine Arme umschlangen nicht mehr ihren Hals.
    Bei diesem Gedanken atmete sie scharf ein und begann sofort zu husten. In ihre Augen traten Tränen, um Schmutz und Staub herauszuwaschen. Als der Druck in ihrer Brust nachließ, merkte sie, dass sie durch Blinzeln wieder klar sehen konnte, und sah sich nach dem Alten um. Verdammt, sie musste doch imstande sein, irgendjemanden zu retten!
    Sie lag in einem Chaos aus Gesteinstrümmern. Als der Kevinsblick eingestürzt war, hatten die Trümmer sich offenbar von einer Hügelflanke abgelenkt in ein flaches Tal ergossen, in dem sie Gras, Buschwerk und Bäume unter einer ungleichmäßig hohen Granitschicht begraben hatten. Auf allen Seiten schränkten grün bewachsene Höhenzüge ihre Sicht ein, und vor ihren Füßen öffnete sich das Tal in Richtung weiterer Hügel. Über ihr hingegen bezeichnete eine frische Narbe in der Felswand die Stelle, wo der Kevinsblick Jahrtausende lang gehangen hatte. Die Sonne stand nahezu ebendort über den Bergen, wo Linden sie zuletzt vom Kevinsblick aus erspäht hatte. Offenbar war sie nicht lange bewusstlos gewesen. Trotzdem war so viel Zeit vergangen, dass die Gesteinslawine zum Stillstand kommen und der Staub sich größtenteils verziehen konnte. Und die Vögel hatten den Vorfall offenbar schon vergessen. Sie zwitscherten und segelten und flitzten bereits wieder zwischen den Hügeln umher.
    Der grausige Wirbel aber, der den Felsturm hatte einstürzen lassen, war nicht mehr zu sehen. Er hatte sich aufgelöst oder war verschwunden.
    Im nächsten Augenblick wurde Linden klar, dass der Felssturz von allen, die in näherer Umgebung wohnten, gesehen oder gehört worden sein musste. Einfache Neugier konnte sie herführen, um das Trümmerfeld zu begutachten. Die Hilfe, die sie brauchte, war vielleicht schon zu ihr unterwegs.
    Oder Aneles Feinde ...
    Trotz des erlittenen Schocks erinnerte sie sich an seine Ängste. Er hatte recht daran getan, diese Aura aus Unrechtsein zu fürchten. Vielleicht fürchtete er auch sie zu Recht, obschon Linden noch immer nicht wusste, wer sie waren. Gab es im Land jetzt wirklich Leute, die einem verrückten alten Mann schaden wollten? Es gab vorerst nur einen Weg, um Antworten auf ihre vielen Fragen zu erhalten: Sie musste Anele finden.
    Stöhnend und ächzend bewegte Linden die Arme und versuchte, sich hochzustemmen, doch ihre Glieder waren schwach wie die eines Säuglings; sie konnte sie kaum bewegen. Als es ihr nach einiger Zeit doch gelang, ließ die Anstrengung sie atemlos keuchend zurück. Obwohl ihre Knochen heil zu sein schienen, fühlte Linden sich ebenso zerschmettert wie der

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