Die Runen der Erde - Covenant 07
ihren Kopf auf die Knie sinken, um ihr pochendes Genick zu entlasten. Sie erinnerte sich so deutlich an Kevins gequälten Geist wie an eine Schnittwunde.
Anele lag mit hochgezogenen Knien an der Wand und hielt seine Knie umarmt. Er hatte sich der Mauer zugewandt, kehrte Linden und Stave den Rücken zu. Vielleicht war er sogar eingeschlafen.
»Gemeinsam«, fuhr Stave fort, »bewirkten der Verderber und der Landschmeißer große Verwüstung. Bei diesem Ritual verlor das Land die alten Lords und viele ihrer kostbarsten Werke. Viel Schönes wurde beschädigt, vieles für immer zerstört. Als die in alle Winde Verstreuten in das Land zurückkehrten, fanden sie eine Wildnis vor, wo sie Vitalität und Gesundheit zurückgelassen hatten. Tausend Jahre vergingen, bevor die vielen Heilungen der neuen Lords Früchte trugen und die Schönheit, die ein Teil des Landes war, von neuem zu entstehen begann.«
Hier machte der Haruchai eine kurze Pause.
Linden hob nicht den Kopf. Sie wollte nicht zusehen, wie die Funken in seinen Augen zu einer feurigen Lohe wurden.
Als Stave weitersprach, klang seine Stimme jedoch gewohnt leidenschaftslos.
»Von Kevin Landschmeißer haben die Bluthüter gelernt, wie gefährlich Vertrauen sein kann. Linden Avery, du hast die Zweifel der Haruchai kennengelernt. Du weißt, dass ich die Wahrheit spreche.«
Das wusste sie allerdings. Das unausrottbare Misstrauen Brinns, Cails und ihrer Gefährten hatte ihr mehr Schmerzen verursacht, als sie sich ohne zu zittern in Erinnerung rufen konnte. Aber sie sagte nichts, was Staves Erzählung hätte unterbrechen können.
»Die Bluthüter dienten dem neuen Großrat, wie sie dem alten gedient hatten. Sie hielten wieder die Riesen und die Ranyhyn in Ehren. Wo sie nur konnten, kämpften sie gegen die Gefolgsleute des Verderbers. Aber sie hatten zweifeln gelernt: Sie ließen in ihrer Wachsamkeit nicht mehr nach und verzichteten auf blinde Willfährigkeit gegenüber Handlungen oder Entscheidungen der Lords.«
In Staves Tonfall schlich sich wieder der vorige Singsang ein. »Trotzdem erwies ihre Stärke sich als Schwäche. In den Schlachten der neuen Lords gegen die Heere des Verderbers wurden die von den Bluthütern geliebten Entwurzelten ausgerottet. Als die Riesen sich mit einem Wüterich in Gestalt eines Riesen – einem Wüterich, der einen Splitter des Weltübel-Steins besaß, der ihn über alle Maßen stark und böse machte – konfrontiert sahen, konnten sie sich nicht dazu aufraffen, gegen ihr eigenes Verderben zu kämpfen. Deshalb wurden sie hingeschlachtet.
Dort sahen die Bluthüter flüchtig das Heraufziehen einer neuen Schändung. Aus diesem Grund beschlossen sie, die Niederwerfung des Verächters selbst in die Hand zu nehmen. Als dem Wüterich der Weltübel-Stein entrissen worden war, brachten drei Bluthüter – Korik, Sill und Doar – dieses Fragment großen Übels an sich. Um noch größere Verwüstung zu verhindern, erfüllten sie sich den sehnlichen Wunsch aller Bluthüter, den Verderber selbst herauszufordern.«
Nun schwang in Staves Tonfall Erbitterung mit. »Sie wurden mühelos und vollständig besiegt. Ihr Kampfesmut und ihre Treue waren wirkungslos gegen den Verderber. Sie wurden versklavt. Sie wurden so verstümmelt, dass sie dem Zweifler glichen. Und sie wurden nach Schwelgenstein zurückgesandt, um die letzte Niederlage der Lords zu verkünden. Dort wurde der Schwur gebrochen.
Die Bluthüter waren Haruchai. Sie konnten es nicht ertragen, dass sie so gegeneinander aufgehetzt worden waren. Die Schönheit und Großartigkeit, die sie zu dem Schwur inspiriert hatten, erforderten makellosen Dienst, und sie hatten sich als nicht makellos erwiesen. Erdkraft hatte ihnen den Dienst ermöglicht, sie aber nicht vor Entehrung geschützt. Im Namen der Reinheit, der sie sich nicht als ebenbürtig erwiesen hatten, zogen die Haruchai sich in ihre kalte Heimat zurück und kehrten dem Großrat und den Ranyhyn, Andelain und dem ganzen Land voller Scham den Rücken zu. Mit Hilfe der letzten Entwurzelten siegte Ur-Lord Thomas Covenant über den Verderber, sodass dem Land eine weitere Schändung erspart blieb, aber an diesem Triumph hatten die Haruchai keinen Anteil.«
Staves angeborener Gleichmut blieb ihm eine Stütze. »Ihre Schande lehrte sie, dass sie sie nicht ertragen konnten. Und ihr Schwur lehrte sie, dass die Erdkraft sie in die Irre geführt hatte. Solche Macht überstieg ihre Sterblichkeit und verfälschte sie zugleich. Ohne Erdkraft wären sie
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