Die Runen der Macht - Der verfluchte Prinz (German Edition)
Aber die Verbindung war noch da. Er mochte sich zwar gewünscht haben, sie los zu sein, aber sie hatte sie alle gerettet.
Raed räusperte sich. »Was jetzt?«
Sorcha ballte die Fäuste und erwiderte leise: »Morgen früh läuft ein Schiff aus mit einem Kapitän, der keine Fragen stellt. Er segelt nach Norden, nach Ulrich. Bis dahin bist du hier sicher.« Sie schlang ihren Umhang fester um sich, sah Merrick an und wies mit dem Kopf zur Tür.
Sie schlüpften hinaus, ehe Raed antworten konnte, aber er war sich ohnehin nicht ganz sicher, was er gesagt hätte.
Kapitel 25
Trost in der Endzeit
Die Ladung vor den Presbyterrat kam vor Einbruch der Nacht. Anscheinend hatte das Staatsbegräbnis die Ratsmitglieder nicht erschöpft – Sorcha hatte fest damit gerechnet, dass es sie zumindest bis zum Morgen schützen würde.
Rictun saß rechts der klaffenden Lücke im Kreis, wo der Stuhl des Erzabts gewesen war. Er war kurz davor, an die Macht zu kommen, und würde in der nächsten Woche der neue Erzabt sein. Doch gegenwärtig war Sorcha zu sehr damit beschäftigt, um ihren Platz im Orden zu kämpfen – und um den von Merrick –, als dass sie sich über Rictuns bevorstehende Beförderung den Kopf hätte zerbrechen können.
Als sie sich aus den Reihen der trauernden Diakone geschlichen hatten, war beiden klar gewesen, dass es Konsequenzen geben würde, aber Sorcha hatte dafür gesorgt, dass nur sie allein vor den Rat treten musste. Sie hatte nichts darüber gesagt, was Merrick getan hatte, und ohnehin keine Ahnung, was es gewesen war. Und die Ratsmitglieder wussten nur, was ihnen von Diakonen, die Sorcha beobachtet hatten, gemeldet worden war: dass sie die Runen beinahe gegen Zivilisten eingesetzt hätte – gegen Leute immerhin, die drauf und dran gewesen waren, sie in Stücke zu reißen.
Um seine Taten zu verschleiern, hatte der Rat behauptet, die anschließende Welle des Kummers sei ein Eingriff des geheiligten Erzabts Hastler gewesen, damit in seinem Namen keine Gewalt ausgeübt wurde.
Sorcha erkannte darin den Beginn einer Märtyrerlegende. Bis Ende der Woche würde es Wunder am Grabmal geben, und schluchzende Mütter würden ihre kranken Kinder dorthin bringen, damit sie geheilt wurden. Sie hatte auch einen Verdacht, welche Rolle sie selbst bei dieser Mythenbildung spielen würde.
»Der einzige Grund, warum Ihr noch das Symbol des Ordens tragt« – Rictun stand auf und blickte in die Runde seiner Presbyterkollegen –, »ist das, was Ihr im Beinhaus getan habt.«
»Freut mich, dass Ihr Euch noch daran erinnert«, murmelte Sorcha, die sich so in ihren Zorn hineingesteigert hatte, dass nicht einmal Merricks besänftigende Präsenz, die über die Verbindung auf sie wirkte, sie bremsen konnte.
»Diakonin Faris.« Die Jugendpresbyterin Melisande Troupe beugte sich vor, und ihr weißgoldenes Haar fiel ihr um die Schultern. »Niemand kann leugnen, dass Ihr Vermillion vor der Zerstörung bewahrt habt, und niemand hat etwas dagegen einzuwenden, dass Ihr den Prätendenten Raed Syndar Rossin befreit habt, da der Kaiser das Gleiche plante. Ihr seid wegen des Einsatzes von Runen gegen die Bevölkerung hier – etwas, das die Satzung ausdrücklich verbietet.«
»Aber ich habe nicht …«
»Ihr hättet es getan.« Yvril Mournling, der Presbyter der Sensiblen, durchbohrte sie mit seinen grauen Augen. »Ohne eine Veränderung in der Menge wäre die Tat ausgeführt worden.«
Sorcha runzelte die Stirn. Gerade Mournling sollte doch wissen, was geschehen war, aber etwas in seiner Miene, etwas fast Unmerkliches, bat um ihr Schweigen.
Wie kann er es wissen, wenn selbst ich es nicht weiß?
, flüsterte Merrick in ihrem Hinterkopf und klang dabei schwach und traurig.
Ihr schnürte sich die Kehle zu. Ein wildes Talent wie das von Garil also, und falls jemand es entdeckte …
»Ich gestehe«, sagte sie und schob die zitternden Hände hinter den Rücken, »gedankenlos gehandelt und aus reinem Selbsterhaltungstrieb versucht zu haben, meine Gaben gegen den Mob einzusetzen.« Sie ließ den Kopf hängen. »Ich habe mich von meinen primitiven Instinkten beherrschen lassen und bin bereit, die Strafe dafür zu tragen.« Hoffentlich stellten sie ihr keine weiteren Fragen, bevor sie gehen durfte.
Als Sorcha aufschaute, merkte sie, dass sich ihr Geständnis schon wegen Rictuns schockierter Miene gelohnt hatte. Er räusperte sich. »Das ist gut und schön, aber Ihr habt das Gute besudelt, das Ihr getan habt. Die Menschen von Vermillion
Weitere Kostenlose Bücher