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Die Runen der Macht - Göttliche Rache (German Edition)

Die Runen der Macht - Göttliche Rache (German Edition)

Titel: Die Runen der Macht - Göttliche Rache (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Ballantine
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Realitäten der Welt zu – insbesondere dem, was sich unter dem Beinhaus abgespielt hatte.
    »Die Murashew.« Zofiya zitterte unter ihrem Nachthemd aus Spinnenseide, als würde die bloße Erwähnung die Geistherrin herbeirufen. Erst einen Monat zuvor hätte diese Kreatur es beinahe bis ins Herz von Vermillion geschafft – ein Ereignis, das die Stadt nicht überlebt hätte. Zofiya war bei der geheimen Besprechung des neuen Erzabts zugegen gewesen und hatte den Schock ihres Bruders geteilt. »Hatipai, gib uns Kraft«, murmelte sie.
    In diesem Moment hörte sie so reine Töne erklingen wie die der Glocken des Tempels in Delmaire. Sie erinnerte sich deutlich daran, weil sie schon als Kind viel Zeit dort verbracht hatte. Die Glocken waren an langen Strängen über die Türen gespannt gewesen, sodass jeder Büßer sie beim Eintreten hoch und süß erklingen ließ.
    Wieder hörte sie die Töne. Das war keine der Uhren im Flur. Die Großherzogin schlüpfte in ihren Mantel, nahm Gürtel und Degen vom Stuhl neben ihrem Bett, legte sie an und verließ ihr Gemach, um der Sache auf den Grund zu gehen. Sie hatte ihre persönliche Wache bereits für die Nacht entlassen. Wenn einem der Kaiserlichen Geschwister Gefahr drohte, sollte es sie treffen und nicht ihren Bruder.
    Schon während ihrer jungen Jahre in Delmaire hatte sie sich an den Gedanken gewöhnt, für immer das überzählige Kind zu sein. Kal hatte gewünscht, dass sie nach Arkaym kam, und ihr Vater hatte nichts dagegen eingewendet. Er hatte genug Töchter, um eine Prunkbarkasse zu füllen – und alle waren erheblich fügsamer als sie.
    Zofiya trat in einen Flur mit dicken Teppichen in den Kaiserlichen Farben Rot und Gelb. Das Geräusch erklang erneut und war diesmal über dem sanften Ticken der zahlreichen Uhren deutlich zu hören. Die Hand am Schwertgriff, ging Zofiya die Hintertreppe hinab und hinaus in den Innenhof. Das Läuten war aus dem Garten gekommen. Die Wärme, die das Symbol der Göttin verströmte, trieb sie weiter, durch nebelverhangene Blumenbeete und kunstvoll geschnittene Hecken. Schließlich erreichte sie die Palastmauern. Die Glocken ertönten ein drittes Mal, daher schlich sie sich durch das Hintertor hinaus in die Stadt.
    Die Großherzogin hatte keine Angst, auch wenn sie nur ihren Mantel und ihr Nachtgewand trug. Sie hatte ihre Göttin bei sich. Die Wärme des Medaillons und der ferne Glockenklang führten sie. Barfuß überquerte sie die Vergoldete Brücke zum Viertel der Mechaniki. Unter der Gunst ihres Bruders hatte die Gilde an Macht gewonnen, und viele Häuser hier waren fast so prächtig wie die auf der Kaiserlichen Insel. Doch Zofiya beachtete weder die schöne Architektur noch die gepflegten Gärten. Stattdessen folgte sie dem Läuten bis zu einem Haus am Ende der Kolbenstraße. Der Klang der Glocken führte sie zu einer offenen Tür an dessen Rückseite. Sie blieb kurz stehen und bemerkte zum ersten Mal die tiefen Schatten ringsum. Beinahe hatte sie den Eindruck, es bewegten sich Augen darin. Für einen Moment überlegte sie, wie verletzbar sie war, doch schon kehrte ihr Glaube mit Macht zurück. Sie trat ein und ging selbstbewusst hinunter in den Keller. Sollte in den Schatten doch lauern, was da wollte.
    Hier unten roch es ziemlich eigenartig, modrig und feucht, aber sie stieg über die Erdhaufen, ohne auf ihre schmutzigen Füße zu achten, und kam an eine prachtvolle Messingtür. Dass es so etwas im Haus eines Mechanikus gab, ließ Zofiya nicht stutzen.
    Hinter der Tür zögerte sie dann aber doch. Der Flur, in dem sie sich befand, war anders als alles, was sie jemals im Haus eines Handwerkers gesehen hatte. Er war mit Fresken bedeckt, die es mit den Malereien im Palast ihres Bruders aufnehmen konnten. Auch das Thema der Darstellungen – ein selten gewähltes Motiv – entging ihr nicht … Es ging um den Bruch, also um das Eintreffen der Geister und die Offenbarung der Anderwelt. Die Großherzogin neigte den Kopf zur Seite und zeichnete mit einem Finger den Umriss der Figuren nach.
    Die Menschen schrien und kauerten sich zusammen, während Gestalten durch den Spalt traten. Zofiya ging ein Stückchen weiter und stieß auf die Auferstehung der Toten und auf die Geister der Verstorbenen, die gekommen waren, um ihre Angehörigen zu verfolgen. Kreise von Rei führten die Unschuldigen in den Tod. Gespenster brachten jenen Vergeltung, die ihnen Unrecht getan hatten.
    Ein leises Keuchen entfuhr ihr, als sie das letzte Bild des Frieses

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