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Die Runenmeisterin

Die Runenmeisterin

Titel: Die Runenmeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Groß
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senkten.
    »O Gott«, rief sie verzweifelt, »Cai, du mußt ins Lager zurück.«
    Er nickte. Allmählich begann er zu begreifen, was sie von ihm wollte. Und er begriff wohl auch, daß er wieder wach war. Er machte einige Schritte, hielt sich an der Luke fest und kletterte hinaus. Sie half ihm und gab ihm eine Fackel. »Du mußt zu den Soldaten zurück, hast du verstanden? Schaffst du es allein?«
    Er stierte sie an. Wieder Nicken. Er nahm die Fackel und ging leicht schwankend über die dunkle Heide, zurück durch den Sumpf. Rosalie blieb stehen und sah dem Licht nach. Irgendwo da hinten war sein Zelt, waren die Soldaten und Van Neil.
    »Glaubst du, du kannst die Zeit zurückdrehen?« Hinter ihr stand plötzlich die Alte. Sie sah ihr schönes Opfer dahinschwinden, das sie so gerne im Sumpf versenkt hätte.
    »Ja«, erwiderte Rosalie, »und ich werde sie noch weiter zurückdrehen, so weit, wie es nötig ist. Geh in deinen Wagen, alte, böse Frau.«
    Sie machte sich davon. Die Welt stand auf dem Kopf, und sie würde sie so lange schütteln, bis sie wieder aufrecht stand.
    »Wieviel muß ein Mann trinken, bis er zwei Tage und zwei Nächte braucht, um seinen verdammten Rausch auszuschlafen?« Van Neil stand fassungslos vor dem Zelt. In der letzten Nacht hatten sie den Iren mitten auf dem Lagerplatz gefunden. Schlafend. Sie hatten ihn auf eines der Lager geworfen wie einen toten Hund. Ein Arzt war dagewesen und hatte ihn untersucht. Hatte seine Lider hochgezogen und seinen Puls gefühlt. Das ist kein normaler Suff, hatte er gedacht, das muß eine Droge gewesen sein. Aber er hatte achselzuckend das Zelt wieder verlassen.
    Am Morgen endlich war der Ire aufgewacht. Vor dem Zelt zupfte ein Harfner verträumt auf seinem Instrument, während er zusah, wie sie die Planen zusammenrollten, die Stangen auf Pferderücken packten und einer nach dem anderen davonritten. Der Krieg war vorüber – zumindest für die Stadt Lübeck. »Ist er wach?«
    Der Harfner nickte, ohne aufzusehen, und zupfte weiter. Van Neil fand Cai Tuam, wie er sich, den Oberkörper entblößt, an einem herbeigebrachten Faß wusch. »Wo sind Eure Waffen geblieben?«
    »Weg.«
    »Wo wart Ihr, Ire?«
    Ja, wo war er gewesen? Er wollte den klammen Geruch dieses Salzstollens loswerden, das Bild dieses alten Weibes. Sie hatten seine Waffen ins Moor geworfen, sein Wertvollstes, den Beweis seiner Männlichkeit.
    »Die Tänzerin«, sagte er. Van Neil grinste.
    »Und es gibt da ein altes Weib«, sprach Cai weiter. »Es lebt in einem Wagen. Die beiden haben mich zwei Tage festgehalten.«
    »Eine Tänzerin und ein altes Weib haben Euch festgehalten? Ihr macht Scherze.«
    »Sie haben meine Waffen in den Sumpf geworfen und mir mit Mohn versetztes Wasser zu trinken gegeben.«
    Es war offensichtlich, daß Van Neil ihm nicht recht glaubte. Er musterte ihn, als habe er den Verstand verloren. Cai Tuam wollte alles erklären, aber er brachte Rosalies Namen nicht über die Lippen.
    Es hatte immer wieder Augenblicke in seinem Leben gegeben, wo er gezögert hatte, einem Menschen den tödlichen Stoß zu versetzen, und oft hatte er auf diese Eingebung gehört.
    Jetzt ging es ihm ähnlich. Sag den Namen, Ire, nur drei Silben, sag den Namen. Du hast es Berthold versprochen. Aber er konnte nicht.
    »Ihr wolltet mir etwas über Monreals Tod erzählen«, sagte Van Neil.
    »Ich traf einen Soldaten«, log Cai Tuam, »der behauptete, er hätte einen Brief an Bischof Gero, den er mir geben wollte. Aber es kam nicht dazu, weil die Weiber mich festgehalten haben, und den Namen des Soldaten weiß ich nicht. Die Tänzerin schützt die Gunst des Kaisers. Aber wir sollten nach der alten Frau suchen.«
    Van Neil schüttelte den Kopf. »Die Frauen sind längst weg. Gestern sind sie abgereist.«
    »Mit Ochsenkarren«, knurrte der Ire verächtlich. »Wenn Ihr sie nicht sucht, dann tue ich es.«
    »Was hat das Weib mit Euch zu schaffen, außer daß Ihr Euch an ihm rächen wollt?«
    Nur drei Silben, Ire. Haben sie schließlich doch erreicht, was sie wollten. Dich zum Schweigen bringen. Aber er besaß kein Schwert mehr. Er war machtlos.
    »Das ist eine ziemlich unglaubliche Geschichte, die Ihr da erzählt«, sagte Van Neil leise. Der Ire lachte kurz. Ja, es war eine Geschichte, die man ganz und gar nicht glauben konnte.
    »Wir rücken ab«, sagte Van Neil und warf einen Blick auf Cai Tuams leeren Waffengürtel. »Ich werde Euch ein Schwert und einen Dolch besorgen lassen. Dann reiten wir zurück nach Raupach.

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