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Die Runenmeisterin

Die Runenmeisterin

Titel: Die Runenmeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Groß
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zusammengekniffenen Augen, wie sie den schmerzenden Hals rieb und sich die Röcke zurechtrückte. Eine häßliche Kröte, die der Tod nicht ansehnlicher gemacht hätte. Und sie sah seinen lauernden Blick wie den einer Katze unter einem Vogelnest.
    »Wo ist Rosalie?« fragte er.
    »Ich weiß es nicht.«
    Es war ein heiseres Krächzen, das aus ihrem Mund kam. Sie kroch auf allen vieren zum Wagen hinüber. Er stand auf. »Wo ist sie?« herrschte er sie an.
    Sie zog sich an einer Radscheibe des Wagens hoch. »Bei der Göttin, ich weiß es nicht. Nachdem sie Euch freigelassen hat, ist sie davongegangen. Sie hat niemandem gesagt, wohin.«
    »Wohin könnte sie gegangen sein?«
    »Ich weiß es nicht.« Sie lehnte sich an den Wagen und legte die Hände um den Hals.
    »Danke deiner Göttin, daß du noch am Leben bist«, sagte der Ire und ging zu seinem Pferd.
    »Du hattest auch einmal eine, Ire, erinnerst du dich nicht mehr?« rief sie ihm hinterher.
    Als er in Raupach ankam, war der Priester bereits in Bertholds Kammer. Das Zimmer war abgedunkelt, nur zwei Kerzen brannten auf einer Truhe. Die Luft war verbraucht und stank nach den eitrigen Verbänden, die auf dem Boden lagen und die niemand weggeräumt hatte.
    »Ich fürchte, Ihr könnt nichts mehr für ihn tun«, flüsterte Gundeline.
    »Hat er sich also endlich entschlossen zu sterben«, sagte der Ire leise.
    Gundeline starrte ihn an. »Es ist der Wille Gottes.«
    Er trat an Bertholds Bett. Pater Clemens öffnete die gefalteten Hände. »Ihr kommt zu spät, Soldat. Vor einer Stunde wollte er beichten, aber dann ist er wieder eingeschlafen.«
    »Ich werde Euch rufen, wenn er wieder zu sich kommt«, sagte Cai Tuam. Pater Clemens nickte. Gesenkten Hauptes verließ er die Sterbekammer.
    »Soll ich Maria benachrichtigen lassen?« Gundeline stand an der Tür.
    Cai nickte mit dem Kopf. »Laßt sie herkommen.«
    Nachdem Gundeline gegangen war, saß er wieder neben Bertholds Bett, wie schon so oft. Es kam ihm vor, als habe er sein halbes Leben neben diesem Menschen gesessen und ihn bewacht, ihn, der nicht leben und nicht sterben wollte. Wenig später wurde Berthold wach.
    »Cai«, murmelte er, »der Pater war hier, aber ich wollte nicht …« Er brach ab.
    »Wollt Ihr jetzt beichten?«
    Berthold sagte nichts mehr. Der Ire stand auf und ließ frische Luft in die Kammer. »Redet, wenn es Euch erleichtert.«
    Lange Zeit sprachen sie nicht. Hörten den Nachtvögeln zu und dem Regen, der vor dem Fenster rauschte.
    »Sollte ich Maria verzeihen? Und meinem Bruder? Ich habe ihn gehaßt wie das Schweißfieber. Mein Bruder …«
    Cai Tuam setzte sich auf der breiten Fensterbank und starrte in die Finsternis.
    »Mein Bruder wollte, daß ich Maria heirate. Er hat gute Beziehungen zum Kaiser. Hat alles in die Wege geleitet, als ob er wüßte, daß es ein verdammter Kuhhandel war. Aber woher konnte er das wissen? Ich wollte Maria haben, ich wollte sie wirklich haben. Aber warum ist alles so schiefgelaufen, Cai? Damals in Alessandria, wißt Ihr noch?«
    Cai ließ seinen Herren reden. Manchmal schlief er kurz ein, weil er todmüde war, wachte wieder auf und hörte den Redestrom, der nicht mehr abreißen wollte. Was war in Alessandria? Er hatte es vergessen.
    »Damals haben wir uns kennengelernt, habt Ihr das wirklich vergessen? Und wißt Ihr was, Cai? So wie Ihr wollte ich immer sein, ein richtiger Mann, kaltblütig und gewissenlos …«
    »Bei Gott, Herr, hört auf damit«, sagte der Ire plötzlich. Aber er wußte, er durfte Berthold nicht am Sprechen hindern, denn es war wohl das erste Mal in seinem Leben, daß er sich seinen Kummer von der Seele redete. Er setzte sich wieder an sein Bett.
    »Ich habe schon vor Monaten meine Güter und auch das Stadthaus Maria vermacht«, sagte Berthold mit leiser Stimme, »ein Rechtsgelehrter in Köln hat den Vertrag aufgesetzt … es muß alles geregelt sein, nicht wahr?«
    Der Ire senkte die Augen. Ja, es mußte alles geregelt sein, bevor er diese Welt verließ. Und Cai Tuam war so elend zumute, als würde er seinen liebsten Bruder verlieren.
    »Seid nicht traurig«, hörte er Bertholds Stimme, »einmal muß es ja zu Ende gehen.«
    Berthold fielen die Augen zu. Der Ire bewachte seinen leichten Schlaf, bis die Tür aufging und Pater Clemens hereinkam. Da stand er auf und ging hinaus.
    Zwei Tage später kamen die Soldaten nach Raupach zurück und brachten Maria mit. Es war ein stummes Wiedersehen mit dem kranken, aber versöhnlich gestimmten Herren, der eine

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