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Die Runenmeisterin

Die Runenmeisterin

Titel: Die Runenmeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Groß
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irgendwo in den Wald. Die wenigsten wissen davon, nur Raupach. Der Ausgang wird vielleicht verschüttet sein, aber ich möchte, daß du davon weißt. Wenn irgend etwas passiert …«
    Er sah sie an. »Einen Stollen?«
    »Ja, sein Eingang ist unten im Gewölbe. Hinter einer Eisenplatte, das weiß ich von dem Jungen. Sein Großvater war unter jenen, die im Frondienst die Burg mit aufgebaut haben.«
    »Du weißt noch mehr, nicht wahr?«
    Vielleicht wußte sie wirklich noch mehr, aber sie sagte es nicht. Sie wußte nur, daß das Heer der Sachsen kommen würde, aber wann, war ungewiß. Vielleicht kam der Löwe auch erst in zehn Jahren als alter Mann, oder in hundert, als Geist, der Rache wollte.
    »Als ich in Köln war, habe ich diesen Bischof Gero aufgesucht«, sagte Cai Tuam nachdenklich. »Er behauptete, der Kaiser benutze Raupach lediglich als Köder. Das würde bedeuten, Barbarossa rechnet durchaus damit, daß Heinrich die Burg angreifen wird.«
    Rosalie nickte. »Ja, möglich, daß er kommt, aber niemand weiß, wann. Der Kaiser nicht, und ich auch nicht.«
    Sie schwiegen wieder.
    »Willst du eigentlich nie zur Ruhe kommen, Ire?« fragte Rosalie ihn irgendwann.
    »Zur Ruhe kommen?« wiederholte er belustigt, »was meinst du damit? Heiraten, Kinder zeugen, mich irgendwo niederlassen?«
    »Ja, was ist daran so schlecht?«
    Er warf den Apfelrest ins Unterholz und starrte auf die Spitzen seiner mit groben Nägeln beschlagenen Schuhe. »Daran ist nichts schlecht, nur habe ich keine Frau zum Heiraten.«
    »Doch«, sprang es ihr über die Lippen, »ich würde dich heiraten.«
    Er sah erstaunt auf. Sie liebte ihn mehr denn je. Aber er war vorsichtig, dachte an das Versprechen, das er ihrer Mutter gegeben hatte und das ihre Liebe immer ein wenig schal und verletzlich machen würde.
    Er küßte sie leicht auf den Mund. »Irgendwann wird mich jemand erschlagen, im Suff vielleicht nur oder auch im Krieg. Würdest du das ertragen, Rosalie?«
    »Ach, Cai, warum soll ich jetzt darüber nachdenken? Ich will deine Frau werden, ist das so schwer zu begreifen?«
    Es war kalt, aber er nahm ihren Mantel und legte ihn auf die Erde. Sie liebten sich im feuchten Gras, und als die Sonne zu sinken begann, kehrten sie ins Lager zurück.
    Ende Oktober wollte Van Neil an einem Mann ein Exempel statuieren. Angeblich gehörte dieser zu den sogenannten sortilegos und divinos, zu Priestern und Zauberern, die üblicherweise ausgepeitscht und dann aus der Gemeinschaft ausgestoßen wurden. Der Mann war ein Wettermacher und Wahrsager, den man dabei ertappt haben wollte, wie er einen Sturm heraufbeschwor. Van Neil konnte dafür drei Zeugen anbringen, die beobachtet hatten, wie er auf freiem Feld ein eigenartiges Ritual zelebriert und dabei den Sturm angerufen habe.
    Van Neil ließ ihn nach Lüneburg bringen und vor dem herbeigelaufenen Volk verkünden, was er alles verbrochen habe. Zu der Wettermacherei kam noch der Verkehr mit einer Hexe dazu, und als einer der Zeugen behauptete, der Delinquent habe gesagt, der Satan sei ihm in Gestalt eines Engels erschienen, brach ein wilder Disput los über die Gesichter des Erzengels Ezechiel und die Erscheinungen des Herrn.
    Raupachs Leute kampierten auf freiem Feld, und jeder von ihnen wünschte sich nichts sehnlicher, als endlich nach Hause zurückkehren zu dürfen. Doch Van Neil mußte in der Stadt bleiben, solange der Fall verhandelt wurde, und so saßen sie in der Kälte fest und warteten drei Tage lang auf ihn.
    Als er endlich zurückkam, ließ er den Iren rufen, der sich arglos auf den Weg in Van Neils Zelt machte. Aber in Rosalie keimte eine böse Ahnung auf. Gewiß, es gab immer wieder Menschen, von denen sie nichts wußte und die sie nicht warnen konnte. Dieser Wettermacher war vielleicht ein armer Tropf, der, wirr im Kopf, die Zeichen der Zeit nicht erkannt hatte, dem Wahnsinn verfallen war oder, wie die Christen sagen würden, dem Teufel. Vielleicht war er auch das Ende einer langen Reihe von Vatanis, so wie ihre Mutter eine Runenmeisterin gewesen war. Doch sie konnte die grausige Stimmung nicht loswerden, die sie gepackt hatte. Und ihre Ahnungen trogen sie selten. Sie waren wie das Gesicht Sigruns, der Ruf aus einer anderen Welt, wo drei Nornen an einem Brunnen saßen und spannen.
    Rosalie sah zu dem Runenbeutel hinüber, der in einer Ecke über dem Schlafplatz hing. Doch bevor sie aufstehen und ihn holen konnte, schlug jemand den Eingang des Zeltes zur Seite.
    Es war der Ire. Rosalie sah ihre Ahnung

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