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Die Runenmeisterin

Die Runenmeisterin

Titel: Die Runenmeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Groß
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die Kuh verendet.
    Die Sache verbreitete sich wie ein Lauffeuer bis nach Lüneburg und schließlich sogar bis nach Braunschweig. Aber die Juristen dort hatten andere Sorgen als sich mit einer verendeten Kuh zu beschäftigen, also schickten sie den Fall wieder zurück, nämlich nach Raupach, woher die Sache kam.
    Raupach reagierte hilflos auf die allgemeine Verwirrung und beschloß, hart durchzugreifen. Er ließ Van Neil kommen und trug ihm auf, das Kräuterweib zu verhaften und all jene, die zu ihr gegangen waren. Er wollte jetzt auch die bestrafen, die bei solchen Frauen Rat suchten, damit die Bevölkerung abgeschreckt würde und endlich Ruhe herrschte.

SOWELO
    Ê
    »Ein elftes kann ich,
wenn alte Freunde ins Gefecht ich führen soll,
in die Schilde raun ich,
und ruhmvoll ziehen sie heil zum Handgemenge,
heil vom Handgemenge, kehren heil wieder heim.«

Eine Jagd setzte ein auf all die, denen man nachsagte, sie ständen mit der alten Magie im Bunde. Sie seien die Nachfahren jener Weiber, die einst mit Gift und weiblichen Lockungen, mit Runen und Orakeln und den alten, verfluchten Göttern über die Welt geherrscht hatten.
    Raupachs Soldaten brachen auf. 25 Soldaten und zwei Offiziere, im Schlepptau zehn Frauen, die sich ihnen für den Weg anschlossen. Auch Rosalie war dabei. Die Ironie war ihr bewußt, denn auch sie war schließlich eine von jenen, denen diese Jagd galt. Doch das wußte unter den Franken niemand. Sie zog mit, weil sie Namen und Wohnsitze kannte von Menschen, die gefährdet waren. Hier ein ahnungsloser Bauer, dort eine Hebamme, die eine gute Freundin Sigruns gewesen war. Rosalie hatte mit Cai darüber gesprochen, und er, der anfangs strikt dagegen gewesen war, sie mitzunehmen, stimmte schließlich zu.
    Rosalie kannte die Treffpunkte der Verfolgten und konnte sie warnen. Es gab den Jungen und noch zwei andere, die als Pferdeknechte mit ihnen zogen und die Aufgabe übernehmen würden, Verbindungen herzustellen und die Menschen zu alarmieren. Sie verwischten Spuren und legten andere aus, sie lernten gälische Worte, um Botschaften zu übermitteln, die hier niemand verstand.
    Der Herbst kam früh in diesem Jahr. Die Zelte hielten die Kälte nicht ab. Sie kampierten oft auf freiem Feld, manchmal in einer Garnison, selten in einer Stadt. Sie zogen von Hof zu Hof, von Haus zu Haus, von Weiler zu Weiler. Irgendwann trafen sie auf einen Boten, der ihnen berichtete, der Herzog habe Plön erobert, und ihnen wurde schlagartig klar, wie unsicher ihre Stellung war. Sie zogen weiter. Die Wälder wurden langsam kahler, und in den Zelten wurde es nicht mehr warm.
    Der Ire wurde immer verschlossener. Er verabscheute die Arbeit, die er tun mußte, und niemand wußte das besser als Rosalie. Doch gerade einer solchen Aufgabe konnte er sich nicht verweigern, sonst wären die alten Vermutungen wieder aufgekommen, ein Ire sei ein Heide, nur weil er ein Ire ist. Er ging in jede Kirche, auf die sie trafen und vermied es, in der Öffentlichkeit seine gälischen Gebete zu sprechen.
    Es war eine dieser Kirchen, aus der Rosalie ihn einmal kommen sah. Sie stand etwas abseits auf einem vergessenen Gottesacker. Er hatte seine Waffen vor dem Portal niedergelegt, und sie hörte seine Schritte durch das Kirchenschiff hallen. Er kam heraus, legte die Waffen an und sagte, er habe Hunger.
    Sie fanden nur eine Köhlerhütte. Die Hütte hatte eine Kammer für die ganze Familie mit fünf Kindern, einer Ziege und etlichen Hühnern. Es roch verräuchert; das Feuer brannte schlecht, weil das Holz feucht geworden war. Man gab ihnen Käse, Äpfel und Brot zu essen, und sie zahlten mehr dafür, als nötig gewesen wäre. Draußen setzten sie sich an den Saum einer Lichtung in die letzten Sonnenstrahlen.
    »Wenn es Krieg gibt, wirst du mitziehen?« fragte Rosalie, während der Ire seinen Apfel mit einem Messer zerteilte und ihr ein Stück reichte.
    Er grinste. »Gewiß.«
    »Und auf welcher Seite wirst du stehen?«
    Er sah sie mit einem ungläubigen Blick an. »Auf der Seite, die am meisten zahlt, auf der, die den Krieg gewinnt. Das bedeutet reiche Beute, und das wird der Kaiser sein.«
    »Und wenn Heinrich kommt und Raupach haben will?«
    Er lachte leise. »Ja, was dann? Ich weiß es nicht, Rosalie. Hoffen wir, daß Heinrich die Burg vergessen hat.«
    Sie schwiegen eine Weile, aßen den Apfel und sahen den Wolken zu, die über den blaßblauen Himmel trieben. »Es gibt da einen Stollen«, sagte Rosalie sanft, »der führt von den Kellern der Burg

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