Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Runenmeisterin

Die Runenmeisterin

Titel: Die Runenmeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Groß
Vom Netzwerk:
loslassen. Zürnst du ihr deshalb? Zürnst du Berthold, dich hierhergeschickt zu haben?‹
    Der Ire wußte es selbst nicht. Sie wagte es, seinem Herren, den er liebte wie einen Bruder, Hörner aufzusetzen. Mit diesem Jungen, der ihren Körper mit linkischen Bewegungen erforschte. Die beiden sanken auf das Fell, das neben einer Kohlenpfanne lag. Cai wandte das Gesicht ab und lehnte sich gegen die Hüttenwand. Er hörte den Jungen leise keuchen, von Maria kam kein Laut. Und dann überrannten ihn seine Gefühle. Er drehte sich um und riß die Tür auf.
    Sie lagen nebeneinander, beide ohne Kleider, und starrten ihn an, als sei er ein Geist, ein Unhold, ein Irrlicht der Heide. Der Junge war verwirrt, das Gesicht von Schamesröte übergossen.
    »Steh auf«, sagte der Ire ruhig zu Maria, sammelte ihre Kleider ein und warf sie ihr auf ihren nackten Leib. Der Junge rappelte sich hoch und zog sich die Hosen über. Dann schlüpfte er hastig aus der Tür.
    Cai schob den Riegel vor und wartete, das Gesicht von Maria abgewandt. Er hörte das Rascheln der Kleider. Hörte, wie sie aufstand, sich die Stiefel anzog. Er drehte sich um. Ihr Gesicht war bleich, aber in ihren Augen standen Verachtung und Trotz. Keine Scham, keine Reue, nur Mutwilligkeit, Verachtung und Trotz. Da holte er aus und schlug ihr ins Gesicht. »Wir haben noch eine Rechnung offen, Maria«, sagte er kalt, »ich werde meine Schulden bezahlen, aber nicht hier.«
    Er entriegelte die Tür und zerrte Maria nach draußen. Sie zitterte vor Schmerz, und Tränen stiegen ihr in die Kehle. Er hob sie unsanft auf ihr Pferd und führte es in den Wald, wo sein Hengst wartete.
    Hitze hing über der Heide wie ein Glocke. Am Horizont flirrte die Luft, die Hufe der Pferde knirschten im heißen Sand. Der Ire zog die Stute hinter sich her. Was sollte er Berthold erzählen, wo sein Weib seine Stunden verbrachte? Wie lange ging das schon so? Cai drehte sich um. Maria funkelte ihn an, mit Tränen in den Augen. Er sagte kein Wort, auch nicht, als er endlich vom Pferd stieg, mitten im Wald, und sie von ihrer Stute zog.
    »Warum kann nie etwas so sein, wie es sein soll«, ging es ihm durch den Kopf, in dem nur noch dieser glühende Zorn hockte und alle Vernunft wie ausgelöscht war.
    Sie hatte es sich anders vorgestellt.
    In ihren Rücken bohrten sich spitze Steine, der Staub der Erde, auf der sie lag, brannte ihr in den nassen Augen. In ihrer Phantasie war es aufregend und ruchlos gewesen, doch die Wirklichkeit war animalisch und brutal. Auch nicht wie mit dem Jungen. Der Junge hatte gesagt, daß es mit ihm anders als mit dem Herren sein würde. Es war anders, aber jedesmal war sie nach Hause zurückgekehrt mit dem Gefühl, sie habe mit einem Kind geschlafen. Schuldgefühle hatten sie gequält, und doch hatte sie nicht aufhören können, zu ihm zu gehen, in der Hoffnung, beim nächsten Mal würde es ihr das bringen, was sie sich erhoffte. Hatte sie eben mit einem Kind geschlafen, schlief sie nun mit einem Dämon. Hatte sie davon geträumt? Von einem Mann, der sie nicht küßte, ihr nicht in die Augen sah, der nichts sprach und nichts hören wollte?
    In ihr war nur noch Schmerz, bohrender, klopfender, pochender Schmerz. Ihre Träume und Phantasien zersprangen in winzige Splitter. Und dann verlor sie sich allmählich in ihm wie ein Regentropfen, der ins Meer fällt. Ihr Kopf fiel in den heißen Sand. Es schob sich wie ein Schatten der Leib des Teufels über sie. So mußte es sein, wenn der Teufel über einen kam. Oh, Herr im Himmel, betete sie. Sie hatte ihre Bibel fleißig gelesen, bis sie eine Frau geworden war. Doch seitdem verstaubte sie auf ihrem Schreibpult. Staub so hoch wie der Butterturm einer Kirche.
    Sie zählte die Wolken an einem immer noch wolkenlosen Himmel, weil es das einzige war, was sie sehen wollte. Sie versuchte sich an die Gebete ihrer Kindheit zu erinnern. Dann, sie wußte nun, was eine Ewigkeit war, gab er sie frei. Schob sich ihren brennenden Körper herunter. Sie hörte ein leises Stöhnen, das einer menschlichen Kehle entstammte, und als sie endlich hinschaute, sah sie, daß es nicht der Teufel gewesen war. Schweiß stand ihm auf der Stirn. Die grünen Augen unter halbgeschlossenen Lidern waren wie gefrorenes Wasser, und seine schweißnassen Haare Helen auf ihre Brust.
    »Gott, vergib mir«, hörte sie ihn flüstern und plötzlich berührten seine Lippen ihren Mund. Er zog sich zurück und stand auf. Schloß seinen Hosenbeutel und schnallte sich den Gürtel um.

Weitere Kostenlose Bücher