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Die russische Gräfin

Die russische Gräfin

Titel: Die russische Gräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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zurückkehren müssen! Rolf Lansdorff, der Bruder der Königin und ein äußerst mächtiger Mann, war ebenfalls für Friedrichs Heimkehr – er hält Waldo für einen Schwächling, der das Land in den Ruin führen wird –, aber auch er hätte Gisela unter keinen Umständen akzeptiert.«
    »Wäre Friedrich denn seinem Land zuliebe ohne Gisela zurückgekehrt? Immerhin hatte er schon einmal auf den Thron verzichtet. Hätte er diese Entscheidung rückgängig gemacht?«
    Sie sah ihm fest in die Augen. Sie hatte wirklich ein außergewöhnliches Gesicht. Enorme Überzeugungskraft, Willensstärke und tiefe Gefühle spiegelten sich darin. Wenn sie von Gisela sprach, wurde es häßlich; dann war die Nase zu breit, und die Augen lagen zu weit auseinander. War dagegen von ihrem Land, von Liebe und Pflicht die Rede, wurde es auf einmal wunderschön. Dann erschienen alle anderen Menschen im Vergleich zu ihr flach und belanglos. Rathbone vergaß ganz die Außenwelt, den Verkehr, das Klappern der Hufe, die gelegentlichen Schreie, das Sonnenlicht auf der Glasscheibe und auch Simms und die übrigen Kanzlisten jenseits der Tür. Seine Gedanken drehten sich nur noch um ein kleines deutsches Königreich und den Kampf um Macht und Überleben, das Geflecht von Liebe und Haß in einer königlichen Familie und die Leidenschaft, die diese Frau ihm gegenüber beflügelte, ja, ihr etwas aufregend Lebendiges verlieh, das ihn faszinierte. Er spürte, wie sie ihn damit ansteckte. »Hätte Friedrich seine Entscheidung rückgängig gemacht?« wiederholte er.
    Ein Ausdruck von Schmerz, Mitleid und vielleicht einer Spur Verlegenheit huschte über ihr Gesicht. Zum erstenmal mied sie seinen Blick, als wolle sie ihre Gefühle vor ihm verbergen. »Im Grunde seines Herzens glaubte Friedrich immer daran, daß sein Land ihn eines Tages doch zum König haben wolle und dann auch Gisela akzeptieren und ihren wahren Wert erkennen würde – den allerdings nur er sah und sonst niemand. Auf diesen Träumen beruhte sein Leben. Er versprach ihr, daß sie Wirklichkeit werden würden, und wiederholte sein Gelübde Jahr für Jahr aufs neue.« Sie hob den Blick wieder zu Rathbone.
    »Um Ihre Frage zu beantworten, Friedrich hätte nie geglaubt, daß seine Rückkehr nach Felzburg den Bruch mit Gisela bedeuten würde, sondern stellte sich einen Triumphzug Seite an Seite mit ihr vor. Aber sie ist nicht dumm. Sie spürte, daß es nie dazu kommen würde. Er würde Einzug halten, aber sie würde man nicht ins Land lassen – eine Demütigung vor aller Öffentlichkeit. Er wäre erschrocken, bestürzt und verzweifelt gewesen, aber Rolf Lansdorff und die Königin hätten schon dafür gesorgt, daß er kein zweites Mal zurückgetreten wäre…«
    »Sie glauben, daß es so gekommen wäre?« fragte Rathbone.
    »Wir werden es nie erfahren, nicht wahr?« erwiderte Zorah mit einem müden Lächeln. »Er ist ja tot.«
    Die Erkenntnis traf Rathbone wie ein Schlag ins Gesicht. Plötzlich erschien ihm der Mordverdacht gar nicht mehr so abwegig. Menschen waren schon für weit weniger getötet worden. Gleichwohl ließ er sich seine Erregung nicht anmerken.
    »Ich verstehe. Das ist in der Tat ein überzeugendes Argument, das auch den Geschworenen einleuchten würde.« Er verschränkte die Hände ineinander und stützte die Ellenbogen auf den Schreibtisch. »Aber warum sollen sie glauben, die bedauernswerte Witwe habe den Mord begangen und nicht ein Anhänger Prinz Waldos oder einer der anderen deutschen Herrscher, die an die Einheit glauben? Sie alle hätten doch gewiß auch handfeste Motive. Unzählige Morde sind im Kampf für oder gegen ein Königreich begangen worden. Soll sie ihn wirklich getötet haben, um ihn nicht zu verlieren?«
    Zorah beugte sich vor. Ihre schmalen, doch kräftigen Finger umklammerten die Armlehnen, ihre Miene war ernst. »Ja!« rief sie. »Felzburg und wir sind ihr völlig egal. Wenn er zurückgekehrt wäre und ihr abgeschworen hätte – ob aus eigenem Antrieb oder auf Druck, das ist unwesentlich, denn niemand hätte es erfahren oder sich darum geschert –, dann wäre der ganze Traum von der großen Liebe zerplatzt. Sie wäre eine jämmerliche, wenn nicht sogar lächerliche Gestalt gewesen, eine Frau, die nach zwölf Jahren Ehe plötzlich sitzengelassen wird und dazu auch nicht mehr in der Blüte ihrer Jugend ist.«
    Ihre Züge wurden herber, ihre Stimme rauher. »Andererseits ist sie nun, dank seinem Tod, die Heldin einer Familientragödie und steht im Mittelpunkt

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