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Die russische Gräfin

Die russische Gräfin

Titel: Die russische Gräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Wellborough war für ihn kein Engländer. Es beschämte ihn zutiefst, daß ein Landsmann mit dem Tod anderer Geschäfte machte. Gut, er hatte alle möglichen klugen Argumente wie Notwendigkeit, Unvermeidbarkeit, Wahl und Freiheit gehört, und doch widerten ihn die Profite der Waffenhändler an. Aber das konnte er dieser faszinierenden deutschen Gräfin unmöglich sagen.
    »Ich habe die Rolle der Geschworenen gespielt«, erklärte er kühl. »Jetzt bin ich wieder der Anwalt. Die Gästeliste, wenn ich bitten darf.«
    »Gerne. Wie ich vorhin schon gesagt habe, war Graf Lansdorff zugegen. Rolf ist der Bruder der Königin und ein äußerst mächtiger Mann. Er verachtet Prinz Waldo, den er für einen Schwächling hält, und war für Friedrichs Rückkehr – natürlich ohne Gisela. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob er persönliche Vorbehalte gegen Gisela hatte oder sich nur Ulrike anschloß, die sie auf keinen Fall geduldet hätte. Schließlich trägt sie die Krone, nicht er.«
    »Der König hätte sie auch nicht geduldet?«
    Zorah hätte ihm fast ins Gesicht gelacht. »Ich glaube, es ist schon lange her, Sir Oliver, daß sich der König einem Wunsch der Königin widersetzt hat. Sie ist klüger als er, aber er ist klug genug, um das zu erkennen. Außerdem war und ist er zu krank, um für oder gegen etwas zu kämpfen. Aber ich wollte auf etwas anderes hinaus: Rolf ist kein Monarch. So nah er der königlichen Familie auch steht, zwischen einem gekrönten und einem ungekrönten Haupt liegen immer noch Welten. Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat und zum Kämpfen bereit ist, wird Ulrike immer gewinnen. Rolf ist zu stolz, um sich auf einen Kampf einzulassen, den er verlieren muß.«
    »Sie haßt Gisela so sehr?« Rathbone konnte das kaum nachvollziehen. Doch es mußte etwas Einscheidendes zwischen ihnen vorgefallen sein, daß die eine die Rückkehr der anderen hintertrieb und dafür sogar bereit war, unter Umständen die Unabhängigkeit ihres Landes zu opfern.
    »O ja«, antwortete Zorah. »Aber ich glaube, Sie haben mich mißverstanden, teilweise zumindest. Sie glaubte nicht, daß Gisela ihrem Ziel dienen würde. Die Königin ist weder dumm, noch würde sie die Erfüllung ihrer Pflichten hinter persönliche Gefühle stellen. Ich dachte, das hätte ich bereits erklärt. Trauen Sie meinen Worten nicht?«
    Er verlagerte sein Gewicht. In der Gegenwart dieser Frau fühlte er sich merkwürdig befangen. »Ich glaube alles nur unter Vorbehalt, Ma’am. Hier scheint ein Widerspruch vorzuliegen, aber fahren Sie trotzdem fort. Wer außer Prinz Friedrich , Prinzessin Gisela, Graf Lansdorff und Ihnen war noch zugegen?«
    »Graf Klaus von Seidlitz mit seiner Gattin Evelyn.«
    »Und sein politischer Standpunkt?«
    »Er war gegen Friedrichs Rückkehr. Meiner Meinung nach schwankt er noch in der Frage der Vereinigung mit dem Deutschen Reich, aber er befürchtete, daß Friedrichs Thronbesteigung Unruhe im Volk, vielleicht sogar offenen Widerstand provozieren würde, wovon nur unsere Feinde hätten profitieren können.«
    »Hatte er recht? Hätte ein Bürgerkrieg ausbrechen können?«
    »Noch mehr Waffen von Lord Wellborough?« fragte sie spitz.
    »Ich weiß es nicht. Uneinigkeit und Führungsschwäche wären wohl die wahrscheinlichere Folge gewesen.«
    »Und seine Frau? Hat sie Verpflichtungen?«
    »Nur dem guten Leben gegenüber.«
    Ein hartes Urteil, und er sah in ihren Zügen keinerlei Anzeichen für eine Milderung. »Ich verstehe. Wer noch?«
    »Baronin Brigitte von Arlsbach, die die Königin ursprünglich als Gattin für Friedrich vorgesehen hatte, bevor er wegen Gisela auf alles verzichtete.«
    »Liebte sie ihn?«
    Ein rätselhafter Ausdruck huschte über ihr Gesicht. »Das glaube ich nicht, auch wenn sie danach nie geheiratet hat.«
    »Auf welcher Seite steht sie? Und, gesetzt den Fall, Friedrich hätte Gisela verlassen, hätte er später sie geheiratet und mit ihr den Thron bestiegen?«
    Erneut lachte sie auf, doch mischte sich auch Schmerz in ihre Belustigung. »Doch, ich nehme an, daß es so gekommen wäre, wenn er am Leben geblieben und heimgekehrt wäre und Brigitte sich dazu verpflichtet gefühlt hätte. Wahrscheinlich hätte sie zugestimmt, allein schon um den Thron zu stärken. Andererseits hätte Friedrich sich aus politischen Gründen für eine jüngere Frau entscheiden können. Für den Thron muß es doch auch einen Erben geben. Mittlerweile ist Brigitte den Vierzig näher als den Dreißig, zu alt für eine Frau,

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