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Die russische Gräfin

Die russische Gräfin

Titel: Die russische Gräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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sie ihn versetzte, den beschleunigten Pulsschlag, das herrliche Gefühl, alles besonders intensiv zu genießen, sei es das gute Essen oder die Musik, den Witz und die Eleganz ihrer Konversation oder der Neid in den Augen der anderen Männer, wenn sie ihn gemeinsam mit ihr sahen.
    Bei all dem vergaß er nie Klaus’ wuchtige und etwas merkwürdige Gestalt im Hintergrund. Vielleicht war es gerade das Gefährliche daran, die Notwendigkeit, eine gewisse Diskretion zu wahren, was den Reiz ausmachte. Und Klaus durfte er nicht unterschätzen. Sein Gesicht hatte etwas an sich vor allem wenn er sich scheinbar entspannte –, das andeutete, was für einen gräßlichen Feind er abgeben würde. Feige war Monk jedoch noch nie gewesen.
    »Sie haben Venedig ja offenbar voll angenommen«, sprach ihn Florent aus dem Dunkeln an, wo ihn das Licht der Fackeln kaum noch erreichte.
    Monk hatte ihn nicht bemerkt. Zu sehr war er in die eigenen Gedanken und die Lichter und Geräusche des nächtlichen Kanals versunken gewesen.
    Er zuckte zusammen. »Ja«, antwortete er und lächelte unwillkürlich. »Diese Stadt ist absolut einmalig.«
    Florent gab keine Antwort.
    Unvermittelt spürte Monk Trauer im Gebaren des anderen. Und als er Florents dunkles Gesicht musterte, sah er zum erstenmal mehr darin als die lässige Sinnlichkeit, die ihn so anziehend für die Frauen machte, und erkannte in dem dramatischen spitzen Haaransatz mit den schönen Augen darunter die Einsamkeit eines Mannes, der den Kunstliebhaber nur spielte, aber in Wahrheit zutiefst unter der Schändung seiner Kultur und dem langsamen Tod seiner einstmals glanzvollen Vaterstadt litt. Er mochte seine Gründe gehabt haben, Friedrich an den Exilhof zu folgen, doch im Herzen war und blieb er Italiener und nicht Deutscher. Monk hatte sich von seinen glatten Manieren täuschen lassen und verkannt, was für ein tiefes Wesen darunter lag.
    Jetzt fragte er sich, ob Florent auf seine Weise für die Unabhängigkeit Venedigs kämpfte und welche Rolle Friedrichs Leben oder Tod dabei spielten. In den letzten Tagen hatte er von der italienischen Vereinigung munkeln hören. Auch wenn einige Ignoranten darüber Witze rissen, gab es doch auch hier Bestrebungen, all die Stadtstaaten, faszinierenden Einzelrepubliken und Herzogtümer aus der Renaissance unter einer Krone zu sammeln. Warum nur hatte er nie darauf geachtet? Wie isoliert man doch sein konnte, wenn man, eingehüllt in die Sicherheit Britanniens und seines Imperiums, in einer Inselwelt lebte und gar nicht mitbekam, wie außerhalb ständig die Grenzen verändert wurden und ganze Nationen in Aufruhr, Revolution oder Eroberung versanken. Von derlei war Britannien seit bald acht Jahrhunderten verschont geblieben. Und maßte sich deswegen eine Arroganz und damit einhergehend eine Borniertheit ohnegleichen an!
    Doch er war hier als Zorahs Gast. Jetzt war es wirklich höchste Zeit, daß er alles in seiner Macht Stehende tat, um ihre Interessen oder wenigstens die ihres Landes zu vertreten. War das vielleicht der eigentliche Grund für ihre absurde, selbstzerstörerische Anklage: den Mord an einem Prinzen aufdecken, damit ihre Landsleute endlich aufwachten und zu einem Mindestmaß an Treue zurückfanden, bevor es zu spät war?
    »Ich könnte mich leicht in Venedig verlieben«, sagte er laut.
    »Aber es wäre eine hedonistische Liebe, keine uneigennützige. Ich habe nichts, was ich Ihrer Stadt geben könnte.«
    Florent sah ihn erstaunt an. Seine dunklen Augenbrauen wölbten sich, seine Lippen zuckten. Er verkniff sich ein Lachen.
    »Das haben die wenigsten«, sagte er leise. »Es fällt Ihnen schwer zu glauben, daß all die Leute, die man hier antrifft, all die Träumer und Möchtegernprinzen, nur hergekommen sind, um hier ihr persönliches Affentheater auszuleben, nicht wahr?«
    »Kannten Sie Friedrich gut?«
    Das war keine Antwort, aber Florent hatte wohl auch keine erwartet. »Ja. Warum?«
    Irgendwo auf dem Wasser sang jemand. Die Töne wurden von den Mauern als Echo zurückgeworfen und kehrten bald wieder.
    »Wäre er heimgekehrt, wenn ihn Rolf oder sonst jemand darum gebeten hätte? Seine Mutter vielleicht?«
    »Nicht, wenn er Gisela hätte zurücklassen müssen.« Florent beugte sich über die Steinmauer und sah in die Dunkelheit hinaus. »Und ihm wäre nichts anderes übriggeblieben. Ich weiß nicht warum, aber die Königin hätte Giselas Rückkehr nie erlaubt. Ihr Haß auf sie ist unversöhnlich.«
    »Ich dachte, für die Krone hätte sie

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