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Die russische Gräfin

Die russische Gräfin

Titel: Die russische Gräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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seinen guten Ruf, seinen Besitz und sogar seine Freiheit betrogen hatte. Monk konnte sich nicht mehr daran erinnern, was geschehen war, nur daß es eine schreckliche Tragödie gewesen war und er in quälender Hilflosigkeit hatte zuschauen müssen. Dieses himmelschreiende Unrecht war der Grund dafür, daß er der Bank und Geschäftswelt den Rücken gekehrt und statt dessen eine neue Aufgabe bei der Polizei angenommen hatte.
    War er ein guter Bankier gewesen? Angenommen, er wäre in diesem Beruf geblieben, wäre er jetzt auch ein wohlhabender Mann und könnte die ganze Zeit wie seine neuen Bekannten leben, ohne auf Zorahs Geld angewiesen zu sein?
    Warum fühlte er sich diesem Mann, der ihn das Kredit und Bankgeschäft gelehrt hatte, so unendlich dankbar? Warum hatte er in dem Moment, in dem er sich auf der Treppe umgedreht hatte, die Gewißheit verspürt, daß Vertrauen und eine unzertrennliche Freundschaft sie verbanden? Diese Verbundenheit war tiefer als die eher allgemeine Beziehung, die er von früheren Erinnerungen schon kannte. Sie war etwas Besonderes, ja, Einmaliges.
    Doch jetzt war der Moment vorbei. Er konnte sich nicht mehr erinnern, was das gewesen sein mochte, nur, daß er sich diesem Mann schuldig fühlte. War ihre Freundschaft so ungleich gewesen? War ihm mehr Geld, Freundschaft, Vertrauen gegeben worden, als er verdient hatte?
    Evelyn erzählte ihm irgendeine Anekdote aus der Geschichte Venedigs von einem Dogen, der auf dem Weg zur Macht über Leichen gegangen war.
    Er bekundete mit einer angemessenen Bemerkung sein Interesse.
    Sie lachte, obwohl sie wußte, daß er nicht zugehört hatte. Gleichwohl wurde er dieses Gefühl, etwas Wertvolles verloren zu haben, den ganzen Abend nicht mehr los. Doch je angestrengter er es wieder einzufangen versuchte, desto flüchtiger erschien es ihm. Und wenn er sich anderen Dingen zuwandte, kehrte es zurück und schwebte über allem.
    Als er am nächsten Tag erneut über den Kanal trieb und Evelyns Wärme neben sich spürte, drängte es sich wieder mit Macht in sein Bewußtsein.
    »Erzähl mir von Zorah«, bat er sie abrupt und setzte sich auf, als sie von einem Nebenkanal in eine der Hauptwasserstraßen abbogen. Eine vor ihnen vorübergleitende, mit Luftschlangen behängte Barke zwang sie zum Anhalten. Ihr Gondoliere balancierte mit selbstverständlicher Eleganz auf dem schwankenden Boot. Bei ihm sah das so einfach aus, aber Monk wußte, wie schwer es war. Mehr als einmal hatte er das Gleichgewicht verloren und war ins Wasser gefallen.
    Evelyn war nicht minder unverblümt. »Warum interessierst du dich so sehr für Zorah?« fragte sie mit blitzenden Augen.
    »Weil sie drauf und dran ist, einen Skandal auszulösen.« Die Lüge ging Monk leicht über die Lippen. »Du wirst unter Umständen zur Rückkehr nach London gezwungen. Das wäre an und für sich schön, aber nur, wenn dir nichts dabei passiert. Am Ende zieht sie dich noch mit hinein.«
    Evelyn lächelte ihn an. »Mir kann nichts passieren«, verkündete sie im Brustton der Überzeugung. »Aber es ist entzückend von dir, daß du dir Sorgen machst. Bei uns daheim wird sie nicht so ernst genommen, wie du denkst, verstehst du?«
    »Warum nicht?« fragte er in ungespielter Neugierde.
    Sie zuckte die Schultern und kuschelte sich an ihn. »Ach, Zorah hat schon immer Anstoß erregt. Wer halbwegs klug ist, nimmt das zur Kenntnis und denkt sich, sie will bloß wieder auffallen. Wahrscheinlich ist sie von einem Liebhaber enttäuscht worden und will jetzt irgendwas Dramatisches tun. Sie langweilt sich immer ziemlich schnell, weißt du. Und das Schlimmste für sie ist, wenn niemand auf sie achtet.«
    So wie Monk Zorah bisher kennengelernt hatte, konnte er sich kaum vorstellen, daß jemand sie übersah. Er konnte verstehen, daß manche sich von ihr eingeschüchtert oder peinlich berührt fühlten, aber langweilig war sie gewiß nicht. Nun, vielleicht nutzte sich Exzentrik auch mit der Zeit ab, wenn sie um des Effekts willen gelebt wurde. Aber war sie bei Zorah eine Pose? Es wäre eine enttäuschende Überraschung für ihn, wenn das stimmte.
    »Glaubst du wirklich?« fragte er skeptisch und ließ die Finger über Evelyns weiches Haar gleiten.
    »Ich habe keinen Zweifel. Schau doch über die Lagune, William. Siehst du die Santa Maria Maggiore dort drüben? Ist sie nicht herrlich?« Sie deutete über das blaugrüne Wasser auf die Marmorkuppel einer Kirche, die aus der Ferne aussah, als würde sie auf der Lagune schwimmen.
    Die

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