Die russische Gräfin
für nichts. Wir können ja jederzeit nach Berlin gehen. Dort macht das Leben genausoviel Spaß…, vielleicht sogar noch mehr.«
Ein Lakai kam mit Champagner auf einem Tablett vorbei. Evelyn nahm ein Glas und führte es an ihre Lippen.
Monk sah verdattert von ihr zu Brigitte, die, den Mund zu einem steifen Lächeln verzogen, danebenstand. Aus ihren Augen sprachen jedoch Schmerz und Trauer. Sie zwinkerte schnell und atmete tief ein. Dann wandte sie sich zu einer Frau neben sich um und sprach sie an.
Das mußte Evelyn doch bemerkt haben! Sie konnte unmöglich so hohl sein, wie sie geklungen hatte.
»Wann kehrst du nach London zurück?« erkundigte sie sich mit schiefgelegtem Kopf.
»Morgen oder übermorgen«, antwortete Monk traurig.
Ihre großen brauen Augen weiteten sich. »Ich nehme an, deine Pflicht ruft dich?«
»Ja. Ich habe eine moralische Verpflichtung einem Freund gegenüber. Er steckt in enormen Schwierigkeiten. Ich muß bei ihm sein, wenn die Krise voll ausbricht.«
»Kannst du ihm denn helfen?« fragte sie in herausforderndem Ton.
Hinter ihr kicherte eine Frau los, und ein Mann sprach einen Toast auf irgend etwas aus.
»Ich bezweifle es, aber ich werde es versuchen«, entgegnete Monk. »Zumindest kann ich ihm zur Seite stehen.«
»Was hat es für einen Sinn, dabeizusein, wenn man doch nichts tun kann?« Evelyn starrte ihn unverwandt an. Ihre Stimme klang auf einmal spöttisch.
Monk verschlug es die Sprache. Er konnte nicht verstehen, warum sie da noch fragte. Für ihn war es schlichtweg ein Freundschaftsdienst. Man ließ Menschen im Unglück nicht allein.
»Was für ein Problem hat er denn?« setzte Evelyn nach.
»Er hat einen gravierenden Irrtum begangen. So wie es aussieht, wird er ihn teuer zu stehen kommen.«
»Dann ist er doch selbst daran schuld«, meinte sie achselzuckend. »Warum sollst du dafür büßen?«
»Weil er mein Freund ist.« Es war für Monk eine Selbstverständlichkeit, die keines weiteren Kommentars bedurfte.
»Wie lächerlich!« rief sie teils belustigt, teils wütend.
»Möchtest du denn nicht lieber bei uns sein, bei mir? Am Wochenende fahren wir in unser Chalet in den Bergen. Du könntest mitkommen. Klaus wird sich die meiste Zeit um die Preußen kümmern, aber auch ohne ihn wird dir bestimmt nicht langweilig. Wir können in den Wäldern reiten, Picknick machen und wunderschöne Abende am Kamin verbringen. Du wirst garantiert den ganzen Rest der Welt vergessen.«
Das Angebot war wirklich verlockend. Er könnte bei Evelyn sein, lachen, sie in den Armen halten, ihren schönen Körper sehen, ihre Wärme spüren. Und wenn er heimreiste? Dann müßte er Rathbone mitteilen, daß seine Recherchen nicht viel ergeben hatten, außer daß Gisela als Täterin ausfiel, falls Friedrich überhaupt ermordet worden war. Und der Rest war ja noch niederschmetternder! Klaus könnte es gewesen sein, wahrscheinlicher war jedoch, daß der Anschlag Gisela gegolten hatte und Friedrich nur aufgrund eines unglücklichen Zufalls getötet worden war. Damit wäre aber Giselas Unschuld erst recht bewiesen. Die Hauptverdächtigen wären dann Lord Wellborough, Brigitte, oder – was noch schlimmer wäre – die Königin. Ja, auch Zorah hätte es sein können!
Monk konnte den Prozeß verfolgen und hilflos zusehen, wie Rathbone sich abmühte und trotzdem seinen Ruf und alles, was er sich über die Jahre so sorgfältig aufgebaut hatte, verlor.
Hester würde natürlich auch dort sein. Sie würde schlaflos vor Sorgen und Mitleid im Bett liegen und bis zum letzten Moment nach Wegen suchen, wie sie ihm helfen konnte.
Und wenn alles vorbei war und Rathbone mit Kritik und Hohn übergossen wurde, weil er so dumm gewesen war, sich mit den höchsten Kreisen anzulegen, würde sie ihm trotzdem zur Seite stehen. Mochte sie ihm privat noch so große Vorhaltungen machen, vor anderen würde sie ihn stets verteidigen. Sie würde ihn ermuntern, sich aufzurappeln und weiterzukämpfen, der Welt trotz der Verachtung seinen Wert beweisen. Je größer seine Not, desto verläßlicher würde Hester sein.
Voller Dankbarkeit erinnerte sich Monk an jene schrecklichen Stunden, als er nicht mehr ein noch aus wußte und sie ihn bekniet hatte, sich nicht kleinkriegen zu lassen, sondern seinen Mut zusammenzunehmen und weiterzukämpfen. Selbst in seinem dunkelsten Augenblick, in dem sie gewiß an seiner Unschuld hatte zweifeln müssen, hätte sie nicht im Traum daran gedacht, ihn fallenzulassen. Ihre Freundschaft ging weit
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