Die russische Gräfin
und Perlen, die den Vergleich mit Giselas Schmuck gewiß nicht zu scheuen brauchte. Monk überlegte, daß Brigitte Gisela hassen mußte, nicht nur wegen der Demütigung damals, sondern auch, weil sie mit Friedrich den Mann fortgelockt hatte, der für die Unabhängigkeit gekämpft hätte, wohingegen Waldo ein Befürworter der Vereinigung zu sein schien. Und sie war ja auch in Wellborough Hall gewesen.
Monk schämte sich seines Gedankens, aber er konnte ihn doch nicht abtun, nur weil sie gemeinsam über dem Ballsaal standen und sie ein so heiteres Gesicht hatte!
»Ihnen geht es nicht so?« fragte er in neutralem Ton. Ursprünglich hatte er Erstaunen vorgeben wolle, es sich dann aber aus Sorge, überheblich zu wirken, anders überlegt. Ihr mußte mindestens ebenso klar sein wie ihm, daß Felzburg im Vergleich mit den übrigen großen Hauptstädten Europas eher als provinziell gelten mußte.
Doch offenbar konnte Brigitte Gedanken lesen. »Es hat einen ganz individuellen Charakter und ist voller Leben«, sagte sie.
»Aber es ist auch altmodisch und mißtrauisch gegenüber der eleganten Lebensart unserer großen Nachbarn. Und weil es uns ein Greuel ist, im Schatten anderer zu stehen, ist es auch mißtrauisch allen Fremden gegenüber. Wie die meisten Städte haben wir zu viele Beamte, und jeder scheint mit jedem verwandt zu sein. Und typisch kleinstädtisch ist bei uns auch der ewige Tratsch. Andererseits sind wir gastfreundlich, großzügig und haben keine bewaffneten Soldaten auf den Straßen.« Sie sagte nicht, daß sie Felzburg liebte – das taten ihre leuchtenden Augen und ihr Tonfall um so beredter.
Wenn Monk Zweifel an Brigittes bedingungslosem Eintreten für die Unabhängigkeit gehabt hatte, so waren sie jetzt ausgeräumt. Plötzlich kam ihm der Begriff »aufregend« in bezug auf Felzburg unangebracht vor. Er hatte an Evelyn und nicht an die Stadt gedacht, und es war herablassend von ihm gewesen, höfliche Lügen über das Leben und die Bedingungen ihrer Einwohner zu erzählen.
Brigitte betrachtete ihn neugierig. Vielleicht sah sie ihm an, was er gerade dachte.
»Ich wünschte, ich könnte länger bleiben«, sagte er, und diesmal war es die reine Wahrheit.
»Müssen Sie denn abreisen?«
»Ja. Leider warten unaufschiebbare Geschäfte in London auf mich.« Das war zutreffender, als sie ahnen konnte. Er bot ihr den Arm. »Darf ich Sie um die Ehre bitten, Sie in den Saal begleiten zu dürfen?«
»Danke schön.« Sie hängte sich bei ihm ein, und sie gingen gemeinsam die Treppe hinunter.
Unten wollte Monk dem Lakaien schon seinen Namen sagen, doch bevor er den Mund aufbrachte, verbeugte sich der Mann tief vor Brigitte und nahm ihm die Einladung ab. »Baronin Brigitte von Arlsbach und Mr. William Monk«, verkündete er.
Schlagartig verstummte der Saal und alle drehten sich um nach Brigitte allerdings, nicht nach Monk. Es gab beifälliges Gemurmel. Wie von selbst traten die Leute vor ihnen auseinander und bildeten eine Gasse, damit Monk und Brigitte hindurchgehen konnten. Die unterbrochenen Gespräche wurden erst wieder aufgenommen, als sie vorbei waren.
Auf einmal stieg Monk die Schamesröte ins Gesicht. Wie anmaßend er doch gewesen war! Anders als offenbar Gisela war Brigitte mit Sicherheit nie darauf aus gewesen, Königin zu werden. Doch ihr Volk hätte sie gewollt. Keine außer Ulrike wurde so verehrt wie sie, und ihre Beliebtheit war vielleicht sogar noch größer. Sein anfängliches Mitleid verschwand. Wenn eine Frau von einem Mann leidenschaftlich geliebt wurde, so verdankte sie das vielleicht einer von niemandem vorhersehbaren Laune der Natur. Von einem ganzen Land geliebt zu werden war dagegen eine Auszeichnung für die eigenen Verdienste. Wer es so weit gebracht hatte, durfte nicht geringgeachtet werden.
Im Nebenzimmer setzte Musik ein. Sollte er sie um einen Tanz bitten? Wäre es eine Beleidigung, wenn er das nicht tat, oder würde er sich damit schon wieder etwas anmaßen, was ihm nicht zustand? Monk wunderte sich über sich selbst. Sonst zauderte er doch nie. Er konnte sich nicht erinnern, sich je so unbeholfen gefühlt zu haben.
Brigitte wandte sich ihm zu und streckte ihm die freie Hand entgegen. Mit der selbstverständlichen Anmut und ganz ohne Worte gab sie so ihr Einverständnis zu verstehen und nahm Monk die Entscheidung ab.
Vor Erleichterung strahlend, führte er sie aufs Parkett.
Es dauerte eine halbe Stunde, bis Monk endlich Evelyn entdeckte. Sie lag wie Seide in seinen Armen, und
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