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Die russische Gräfin

Die russische Gräfin

Titel: Die russische Gräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Stimmengewirr.
    Er zeigte seine Einladung vor und eilte weiter durch die Vorhalle und die Treppe hinauf zum Empfangsraum. Oben angekommen, lehnte er sich zunächst über die Balustrade und ließ den Blick über die Köpfe schweifen. Ein Hüne mit dichtem schwarzem Haar überragte alle anderen. Monk war sich nicht auf Anhieb sicher, doch als der Mann sich umdrehte, erkannte er Klaus von Seidlitz’ gebrochene Nase und sein breites Gesicht. Er unterhielt sich mit mehreren Militärs in glänzender Uniform. Zum erstenmal sah Monk ihn lachen, und plötzlich war er nicht mehr der lauernde, fast etwas griesgrämige Mann, als den er ihn in England empfunden hatte. Damals hatte sein Gesicht gerade in Momenten der Entspannung gefährlich, wenn nicht grausam gewirkt, jetzt war es zwar immer noch schief, aber auch liebenswürdig.
    Monks Augen suchten weiter nach Evelyn, fanden sie aber nicht. Statt dessen bemerkte er Rolf. Ihm stand die Langeweile schier ins Gesicht geschrieben, auch wenn er natürlich höflich war. Vermutlich war er nicht um des Vergnügens willen gekommen, sondern um politische Kontakte zu pflegen. Auf wen setzte denn nun die Partei der nationalen Unabhängigkeit nach Friedrichs Tod ihre Hoffnungen? Vielleicht hätte er die eigentliche Macht ausgeübt, wenn Friedrichs Heimholung gelungen wäre. Vielleicht hatte er schon immer beabsichtigt, im Hintergrund die Fäden zu ziehen.
    Wer würde nun die Galionsfigur sein, hinter der sich die Massen scharen, der sie ihr Geld, ihre Häuser, ihr Leben opfern würden? Solche Zuneigung wird nur denen entgegengebracht, die entweder aus einem Königshaus stammen, das Volk mit beispielloser Tapferkeit und Leidenschaft bannen oder als Symbol für all das stehen, wonach die Menschen sich sehnen. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie diese Liebe tatsächlich verdienen oder ob sie auf purer Fiktion beruht. Sie muß nur einen Glauben an den Sieg beflügeln, den auch Niederlagen, Enttäuschungen, Verluste und Erschöpfung nicht ins Wanken bringen können.
    Während er vom Treppenabsatz aus über die Köpfe der übrigen Gäste hinweg sein Gesicht betrachtete, wurde Monk immer klarer, daß Rolf diese Ausstrahlung nicht hatte. Und er glaubte, daß auch Rolf das wußte.
    Wie weit gingen Rolfs Pläne? Bei seinem starren Blick, seinen breiten Schultern und dem durchgestreckten Rücken traute Monk ihm durchaus zu, daß er Gisela nach dem Leben getrachtet und alles darangesetzt haben könnte, Friedrich zu dem Helden zu machen, den er brauchte: den rechtmäßigen Erben, der reuig zurückkehrt, um sein Volk in der Stunde der größten Gefahr zu führen.
    Nun waren eben seine Pläne tragisch fehlgeschlagen. Nicht Gisela, sondern Friedrich war gestorben.
    »Mr. Monk?«
    Es war eine leise, sanfte und überaus angenehme Frauenstimme.
    Er drehte sich langsam um und erkannte Brigitte. Sie lächelte ihn an.
    »Guten Abend, Baronin von Arlsbach«, sagte er eine Spur steifer als beabsichtigt. Er erinnerte sich, wie leid sie ihm im Haus der Wellboroughs getan hatte, weil Friedrich ihr einen Korb gegeben hatte, obwohl Hunderte gewußt haben mußten, wie sehr sich die königliche Familie eine Hochzeit zwischen ihm und ihr gewünscht hatte und sie auch dazu bereit gewesen war, wenn auch eher aus Pflichtbewußtsein. Aber er hatte sich geweigert und hatte dann sogar alles für Giselas Liebe geopfert.
    Und Brigitte war immer noch ledig, ein höchst außergewöhnlicher Umstand für Frauen ihres Alters. Monk musterte sie diskret. Nein, schön war sie nicht, aber sie strahlte eine Heiterkeit aus, die ihrem Gesicht etwas Liebenswürdiges verlieh, und das war vielleicht beständiger als ebenmäßige Züge. Ihr Blick war unverwandt und klar, aber ihm fehlte Ulrikes Kälte.
    »Ich wußte nicht, daß Sie in Felzburg sind«, sagte sie. »Haben Sie hier Freunde?«
    »Nur neue Freunde«, antwortete er. »Aber ich finde diese Stadt ungemein aufregend.« Das war nicht gelogen, auch wenn ihn in erster Linie Evelyns Gegenwart erregte und nicht so sehr die Stadt. Selbst die Industriestädte im Norden Englands hätten ihn begeistert, wenn Evelyn dort gewesen wäre.
    »Das ist das erste Mal, daß ich jemanden so schwärmen höre«, schmunzelte Brigitte. Sie war eine große, breitschultrige Frau mit einem üppigen Busen, die jedoch durchaus feminin wirkte. Monk bewunderte ihre makellose Haut und ihren überaus zarten Hals, der hervorragend mit ihren Juwelen harmonisierte. Um den Hals trug sie eine einzigartige Kette aus Rubinen

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