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Die russische Gräfin

Die russische Gräfin

Titel: Die russische Gräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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über den Glauben an Unschuld oder Sieg hinaus und bewies sich in der Bereitschaft, in der Niederlage, und sei sie auch verdient, dazusein.
    Was Ausstrahlung, Schönheit und Charme betraf, konnte sie Evelyn nicht das Wasser reichen. Doch mit ihrem unbeugsamen Mut und ihrem bedingungslosen Ehrbegriff erschien sie ihm auf einmal unendlich wertvoll, so wie eiskaltes, reines Wasser dem Wüstenwanderer, der nur Zucker im Gepäck hat.
    »Danke«, sagte er steif. »Es wäre sicher wunderschön, aber ich habe eine Aufgabe in London… und Freunde, an denen mir liegt.« Er verbeugte sich in fast deutscher Manier und schlug sogar fast die Hacken zusammen. »Ihre Gesellschaft war beglückend, Gräfin, doch jetzt ist es Zeit, in die Wirklichkeit zurückzukehren. Guten Abend… und auf Wiedersehen.«
    Ihr klappte der Mund auf, dann strafften sich ihre Züge in ungläubiger Wut.
    Monk ging zur Garderobe und verließ das Haus.

8
    Auf der langen, öden Heimreise überlegte Monk hin und her, welche nützliche Nachricht er Rathbone überbringen könnte. Doch er konnte es drehen und wenden, wie er wollte, nichts sprach gegen Gisela, aber alles gegen Zorah.
    Als einziger mildernder Umstand ließ sich anbringen, daß Friedrich tatsächlich höchstwahrscheinlich ermordet worden war.
    Nach seiner Ankunft in London fuhr Monk zunächst in seine Wohnung in der Fitzroy Street und packte aus. Dann gönnte er sich ein dampfend heißes Bad und schlüpfte in frische Kleider. Auf seine Bitte hin brachte ihm seine Vermieterin eine Tasse Tee, auf den er die drei Wochen im Ausland hatte verzichten müssen. Danach fühlte er sich gefestigt genug, zu Rathbone in die Vere Street zu fahren. Ihm graute davor, aber er hatte keine andere Wahl.
    Mit den üblichen Formalitäten gab sich Rathbone heute nicht ab. Als er Simms mit Monk reden hörte, öffnete er die Bürotür sogleich selbst. Wie immer war er tadellos gekleidet, doch Monk sah ihm die Abgespanntheit an.
    »Guten Tag, Monk«, begrüßte ihn Rathbone. »Kommen Sie herein.« Er sah zu seinem Bürodiener hinüber. »Danke, Simms.« Dann machte er höflich Platz, damit Monk als erster eintreten konnte.
    »Soll ich Tee bringen, Sir Oliver?« fragte Simms und sah zwischen den zwei Männern hin und her. Er wußte um die Bedeutung dieses Falles und der Nachrichten, die Monk überbrachte. Und Monks Gebaren hatte ihm bereits verraten, daß es keine guten waren.
    »Oh…, ja bitte«, sagte Rathbone zerstreut. Er sah Monk an, nicht Simms. Sein Blick war auf seine Augen geheftet, und er las ihnen die Niederlage ab. »Danke«, murmelte er. Seine Enttäuschung war so groß, daß er es nicht schaffte, sich nichts anmerken zu lassen.
    Er schloß die Tür, ging zum Schreibtisch und setzte sich. Monk nahm ihm gegenüber Platz.
    Anders als sonst schlug Rathbone die Beine nicht übereinander und lehnte sich auch nicht zurück. Sein Gesicht war gefaßt, sein Blick klar, aber es lag ein Ausdruck von Furcht darin.
    Monk verzichtete darauf, die Geschichte in chronologischer Reihenfolge zu erzählen, denn damit hätte er Rathbone nur unnötig auf die Folter gespannt.
    »Ich halte es für sehr wahrscheinlich, daß Friedrich ermordet wurde«, begann er. »Wir wären gut beraten, diesen Punkt vorzubringen und können ihn vielleicht sogar mit Glück und beträchtlichem Geschick beweisen. Allerdings ist Giselas Täterschaft völlig ausgeschlossen.«
    Rathbone starrte ihn wortlos an.
    »Sie hatte schlichtweg keine Gelegenheit dazu«, setzte Monk nach. Es tat ihm in der Seele weh, daß er das sagen mußte. Und wieder hatte er das Gefühl, dieselbe Situation schon einmal erlebt zu haben: jemanden, den man retten sollte, leiden und verlieren zu sehen und nichts dagegen tun zu können. Er schuldete Rathbone nichts, und niemand hatte ihn dazu gezwungen, sich auf einen so absurden Fall einzulassen – doch das war die Sprache des Verstandes, nicht des Herzens.
    Monk holte tief Luft. »Friedrich war ihr Leben. Sie hatte keine Affären und er ebensowenig. Ihre Freunde und Feinde wußten gleichermaßen, daß sie einander anbeteten. Keiner ging je seiner eigenen Wege. Alles, was ich herausgefunden habe, deutet darauf hin, daß ihre Liebe in all den Jahren nie nachgelassen hat.«
    »Aber die Pflicht?« drängte Rathbone. »War denn nicht geplant, ihn als Führer des Widerstands gegen die Vereinigung nach Felzburg zurückzuholen?«
    »Gewiß…«
    »Und?«
    »Und nichts!« ließ ihn Monk abblitzen. »Vor zwölf Jahren scherte er sich schon

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