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Die Saat der Bestie (German Edition)

Die Saat der Bestie (German Edition)

Titel: Die Saat der Bestie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Dissieux
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Der gesamte Raum war in Mahagoni und weinrotem Samt gehalten. Hinter dem Schreibtisch verdeckten schwere Vorhänge die großen Fenster und über einem schwarzen eisernen Kaminsims hing das imposante Porträt eines grauhaarigen und schnauzbärtigen Mannes. In seinem Tweed Jackett, der senffarbenen Weste und den Jagdhosen sah er exakt wie ein englischer Landadeliger aus, der gerade eine nachmittägliche Quengelei genoss. Zudem trug er eine Büchse in der rechten Hand; nur dass die Szene hinter ihm die afrikanische Savanne zeigte und sein Fuß auf dem Kadaver eines wilden Löwen ruhte.
    Screwtape blickte von dem Heldenporträt auf den darunter stehenden jungen Mann. Die Ähnlichkeit in der Familie war bemerkenswert.
    Papierschnipsel aus der Times bedeckten die abgenutzte grüne Lederoberfläche des Schreibtisches. Einige der Artikel waren wohl von besonderem Interesse für den jungen Mann, denn er las sie wieder und wieder, während er den Inhalt eines Kristallglases in seiner rechten Hand umherwirbelte. Als der Anwalt durch die Gläser seines Kneifers auf die Schnipsel spähte, erkannte er in den größeren Abschnitten der Schlagzeilen, dass es sich stets um dieselbe Bewandtnis handelte. Eine Überschrift schrie: ›Millionär und Lebemann im Himalaya vermisst‹, eine andere: ›Abenteuer mit Heißluftballon endet in Tragödie‹. Der jüngste Report trug die Aufschrift ›Quicksilver vermisst, vermutlich tot‹. Das Datum dieses Reports lautete auf den 3. April 1996.
    Die mit Teilen von Bronze verzierte Uhr auf dem Kaminsims schlug zehn. Sekunden später wurde deren Echo von einer schweren Standuhr andernorts im Haus zurückgeworfen. Es lag etwas Verstohlenes in diesem Treffen und im Zusammenspiel mit Nimrod´s nachhaltiger Präsenz fühlte sich Screwtape unbehaglich. Warum sich zu solch später Stunde treffen, um eine Abmachung zu besiegeln, wenn doch nichts Schändliches bei dieser Unternehmung im Spiel war? Die nachtschlafende Zeit war den kriminellen Bruderschaften vorbehalten, die dann ihren gesetzeswidrigen Geschäften frönten.
    Normalerweise hätten solche Dinge den Anwalt gar nicht beunruhigt. Jeden Tag musste er sich mit dem Gesetz auseinandersetzen, und das Gesetz mit ihm. Ein Auge zudrücken, sich mit konfusen und verwirrenden Klauseln Sittenwidrigkeiten entgegenstellen und geheime Paragraphen verschleiern. Die Firma von Mephisto, Fanshaw & Screwtape war bereits seit fünf Generationen bei der Quicksilver-Familie beschäftigt; seit der Zeit des Krimkrieges, um genau zu sein. Sie verfügte über eine langanhaltende historische und erbschaftsbedingte Geschichte.
    »Screwtape, wollen Sie nicht Platz nehmen?«, fragte der junge Mann und gestikulierte in Richtung des gepolsterten Lederstuhles.
    Der Anwalt betrachtete den ungemütlichen Armsessel und drehte dabei unruhig die Krempe seiner Melone in den Händen. »Nein, ist schon gut. Ich bevorzuge es, stehen zu bleiben.«
    Der junge Mann schaute zum ersten Mal, seit der Anwalt das Studierzimmer betreten hatte, auf den Lederstuhl. Ein distanziert wirkender, wehmütiger Blick vernebelte seine Miene. »Ja. Ich weiß, was Sie meinen.«
    Es schien, als strahle der leere Sitz eine beunruhigende Dominanz aus.
    »Wenigstens einen Drink?«, fragte Quicksilver, das Glas wie zu einem Trinkspruch erhoben.
    »Sehr gerne«, nahm der Anwalt erleichtert das Angebot an. Ein harter Drink war genau das, was er nötig hatte. »Whisky bitte.«
    »Ich befürchte, es wird wohl Cognac sein müssen. Es hat den Anschein, die Vorräte meines Bruders sehen eher mau aus.« Er warf dem Hausdiener, der noch immer in der offenen Tür des Studierzimmers stand, den Blick eines Verdurstenden zu und drückte Screwtape ein Brandyglas in die Hand. Dieser legte seinen Hut und die Aktentasche sorgfältig auf dem Schreibtisch ab und nahm den angebotenen Drink entgegen.
    »Auf die Zukunft«, tat Quicksilver kund und ließ sein Glas gegen das von Screwtape klirren. Der junge Mann leerte den Inhalt in einem Zug. Screwtape nippte an dem seinen. Das weiche Aroma des Cognacs füllte seinen Mund und rann die Kehle hinab, um sein Magengeschwür etwas zu besänftigen.
    »Allerdings«, brummte er.
    »Also, die Papiere?«
    »J-ja, natürlich«, der Anwalt wandte seine Augen endlich mit einiger Mühe von dem leeren Armsessel ab. »Ich habe sie gleich hier.«
    Nach einigem Herumfummeln gelang es ihm schließlich, die kostbaren Dokumente aus ihrem Umschlag zu fischen. Er reichte sie über den Schreibtisch und

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