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Die Saat der Erde Roman

Titel: Die Saat der Erde Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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Modifikationen der synaptischen Konnektivität befähigten sie zu erstaunlichen mentalen Leistungen, doch sie litten unter einem Mangel an sozialer Intuition, der ihnen den Umgang mit gewöhnlichen Menschen erschwerte. Theo hatte seinerzeit ein paar von ihnen kennengelernt, doch aus verlässlichen Quellen wusste er, dass die Getunten von Regierungsseite nicht nur als hilfreiche intellektuelle Ressource, sondern auch als Prestigeobjekt betrachtet wurden, das es so lange wie möglich zu bewahren galt. Der Präsident hätte eigentlich über solchen bürokratischen Ränken stehen sollen, weshalb Theo sich fragte, ob er ein politisches Risiko einging, wenn er sich von den Getunten helfen ließ.
    Bald darauf führte die Straße in den Wald, und die miteinander verwobenen Äste bildeten einen belaubten Tunnel, durch den Sonnenstrahlen auf den Boden fielen und ihn in Gold verwandelten. Dies war dünn besiedeltes Gebiet,
und außer einem gelegentlichen Schwebebus, der Besucher hin und her beförderte, traf Theo keine Menschenseele. Als die Straße eine steilwandige Rinne kreuzte, trat er über den Rand und setzte sich auf eine verwitterte Bank, die Aussicht bot auf die Erdspalte. Kurz darauf näherten sich schwere Schritte, und Rory, bekleidet mit einem Overall, ließ sich neben ihn niedersinken.
    »Sie sind nicht gerade der geborene Waldmensch, Rory.«
    »Aye, das Rumschleichen und Sich-Verstecken hat mir noch nie gelegen, Major - kann die Käfer nicht ausstehen.« Um seinen Standpunkt zu deutlichen, wehrte er mit wilden Handbewegungen ein paar Insekten ab. Theo grinste.
    »Dann wollen wir mal hoffen, dass wir nicht in die Wildnis eindringen müssen«, meinte er. »Und was haben Sie in Erfahrung gebracht?«
    »Also, ich bin heut früh zur Hyperion gekommen und klar, da gab’s neue Schmierereien. Der Manager und dem sein Boss rauften sich praktisch die Haare, und als ich mit meinen Sprays und Schwämmen auftauchte, da ham’se mich gleich an die Arbeit geschickt.«
    Theo runzelte die Stirn. Vandalismus kam auf Darien nur höchst selten vor, doch seit der Ankunft der Herakles tauchten immer mehr Schmierereien auf, hauptsächlich in Hammergard und den umliegenden Siedlungen. Und dann waren gestern die ökumenische Knudson-Kirche und die Brennerei der Gebrüder Tschernow kurz vor dem Eintreffen von Botschafter Horst verunstaltet worden, weshalb Theo Rory mit der entsprechenden Ausrüstung vorgeschickt hatte.
    »Wie lautete der Text? Gab es einen Bezug zu den persönlichen AIs?«

    Rorys Augenbrauen ruckten in die Höhe. »Aye, klar! ›Maschinenficker raus‹, ›Wir wollen keine AI-Sklaven sein‹, ›Nur eine gelöschte AI ist eine gute AI‹ und so Zeug, außerdem noch ›Darien den Darienern‹ und Logos der BFD.«
    BFD stand für »Befreiungsfront Darien«, eine bislang unbekannte Gruppe, die offenbar Ressentiments schüren und Unruhe verbreiten wollte, wogegen Theo eigentlich nichts hatte, vorausgesetzt, es geschah aus gutem Grund. Die BFD aber appellierte an niedere Instinkte, an Borniertheit und Voreingenommenheit, und nach der gestrigen Topmeldung, wonach unter anderem der Botschafter der Erdsphäre mit AI-Implantaten ausgestattet war, kam noch eine Prise Angst hinzu. Horsts Besuch der Stätte, wo der Sieg der Kolonisten über eine feindlich gesonnene AI gefeiert wurde, rief natürlich Gegenreaktionen hervor.
    Er wird den Geist nie wieder in die Flasche zurückbekommen, dachte Theo. Das Beste, was er tun könnte, wäre, dem Misstrauen mit Offenheit zu begegnen, doch dafür fehlt ihm anscheinend der Mumm. Ich frag mich, was ihm sein AI-Gefährte wohl raten mag?
    »Okay, Rory«, sagte er und erhob sich. »Ich muss los. Und Sie machen sich auf den Weg zum Tochterwald Puschkinskog - ich habe Sie dem Lauscher Gansua bereits angekündigt.«
    Rory stand ebenfalls auf und kratzte sich im sandfarbenen Haar. »Was meinen Sie wohl, was die BFD-Typen dort anstellen werden? Einen Baum beschmieren?«
    »Weiß der Himmel. Nach unserem jetzigen Kenntnisstand werden sie die Uvovo raushalten wollen, aber in Anbetracht ihres respektlosen Umgangs mit gewissen Wahrzeichen würde ich nicht drauf wetten.«
    Um Rorys Lippen spielte ein Lächeln. »Ich nehme an, Sie haben sich nach den anderen Kolonieschiffen erkundigt,
Major, aye? Hab gehört, die wär’n immer noch nicht gefunden worden.«
    »Sind immer noch verschollen, Rory. Ein ungelöstes Rätsel.«
    »Aye, okay, aber wissen Sie, ich frag mich … ich meine, ein Stück weiter liegt die

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