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Die Saat

Die Saat

Titel: Die Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillermo Del Toro
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hoch, trat ihr vor die Brust und warf sie zu Boden.
    Schritte kamen die Treppe herunter. Einen Kampf im Dunklen konnte er nicht gewinnen, also streckte er den Arm aus und stieß die Stange durch das zugestopfte Fenster, stocherte und zerrte an den Lumpen, bis sie herausfielen wie ein Stöpsel aus einem Abfluss. Doch statt Wasser ergoss sich nun Licht in den Raum.
    Vasiliy wandte sich wieder dem Mädchen zu und sah, wie sich ihre Augen vor Angst weiteten. Sie lag vollständig in einem quadratischen Flecken Sonnenlicht. Ihrem Körper entwich ein qualvoller Schrei - dann fiel sie fast schlagartig in sich zusammen, verwandelte sich in einen Haufen dampfender Asche. Ungefähr so hatte er sich immer die Wirkung von radioaktiver Strahlung vorgestellt: Man wurde gegrillt und gleichzeitig pulverisiert.
    Entsetzen
war auch nicht annähernd das angemessene Wort für das, was Vasiliy in diesem Augenblick empfand. Er hatte völlig vergessen, dass sich noch jemand anders im Raum befand - bis dieser Jemand ein gequältes Stöhnen von sich gab, vor dem Sonnenlicht zurückwich und auf die Treppe zurannte.
    Vasiliy fing sich noch rechtzeitig, um seinerseits unter die Treppe zu laufen, die Stange mit voller Wucht durch eine Stufe zu rammen und den Fliehenden damit zum Stolpern zu bringen. Rücklings krachte der Mann auf den Kellerboden. Mit erhobener Stange trat Vasiliy unter der Treppe hervor. Der Mann öffnete den Mund, und Vasiliy sah, dass auch er keine Zunge mehr hatte, sondern etwas viel Furchtbareres ... Er knallte ihm die Stahlstange quer über das Gesicht. Der Schlag schleuderte den Mann herum. Blitzschnell packte Vasiliy den Kerl im Genick, so wie er gewöhnlich eine um sich beißende Ratte packte. So konnte er dieses Ding im Mund des Mannes von sich fernhalten. Sein Blick fiel auf den rechteckigen Flecken Licht, in dem noch der Staub des Mädchens wirbelte. Er spürte, wie sich der Mann aufbäumte, sich zu befreien versuchte. Er hieb ihm die Stange kräftig in die Kniekehlen und zwang ihn so vorwärts, auf das Licht zu.
    Vasiliy Fet wollte dieses Schauspiel noch einmal sehen.
    Diesen tödlichen Trick des Lichts. Mit einem Stiefeltritt in den Rücken schickte er den Kerl in die Sonne - und beobachtete, wie er zusammenbrach, von den Strahlen zerschnitten, zu einem rauchenden Aschehaufen wurde.
     
    South Ozone Park, Queens
     
    Eldritch Palmers Limousine fuhr in ein Lagerhaus, das keine Meile von der alten Pferderennbahn Aqueduct Racetrack entfernt in einem von Unkraut überwucherten Industriegebiet stand. Palmer reiste in einer bescheidenen Autokolonne; seiner eigenen folgte eine zweite, leere Limousine, für den Fall, dass die erste mit einer Panne liegen blieb, und dann kam noch ein schwarzer Transporter, der im Grunde nichts anderes als ein privater Krankenwagen war, in dem sich sein Dialysegerät befand.
    Ein Tor an der Seite der Lagerhalle öffnete sich, ließ die Fahrzeuge hinein und schloss sich wieder. Vier Mitglieder der Stoneheart Society, einer Tochter seines mächtigen internationalen Investment-Konzerns, warteten darauf, Palmer begrüßen zu dürfen.
    Mr. Fitzwilliam öffnete ihm die Tür, und begleitet von ehrfürchtigen Blicken stieg er aus - eine Audienz des Vorstands vorsitzenden war ein seltenes Privileg.
    Ihre dunklen Anzüge waren dem seinen nachempfunden.
    Für die Investoren seiner Firmengruppe war Palmer eine Art Messias, dessen Marktprognosen sie reich gemacht hatten; seine Society-Schüler hingegen - sie würden ihm bis in die Hölle folgen.
    Palmer fühlte sich an diesem Tag einigermaßen kräftig und benötigte zum Stehen lediglich die Hilfe seines Mahagonistocks. Das Lagerhaus, das früher einer Kistenfabrik gehört hatte, stand normalerweise leer, die Stoneheart Group nutzte es nur gelegentlich, um Fahrzeuge unterzustellen.
    Sein eigentlicher Wert lag in der altmodischen Verbrennungsanlage, die durch eine Tür von der Größe eines Backofens gespeist wurde.
    Neben den Mitgliedern der Stoneheart Society stand ein Transportisolator.
    »Irgendwelche Probleme?«, fragte Palmer.
    »Keine, Sir«, erwiderten seine Untergebenen fast unisono.
    Die beiden, die den Ärzten Goodweather und Martinez so ähnlich sahen, händigten Fitzwilliam die gefälschten CDCLegitimationspapiere aus.
    Durch das transparente Isoliergehäuse sah Palmer die geschwächte Gestalt Jim Kents. Der Körper des nach Blut hungernden Vampirs war so runzlig wie eine aus fauliger Birkenrinde geschnitzte Figur eines Dämons. Den stark

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