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Die Saat

Die Saat

Titel: Die Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillermo Del Toro
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Ziel«
    »Und warum deutet alles auf das genaue Gegenteil hin?« Eph zeigte seinem Handy den Finger. Nora stand nur wenige Meter von ihm entfernt. Er war wütend, fühlte sich aber gleichzeitig ungeschützt, verletzbar.
    »Gut, okay. Ich weiß, Sie wissen, dass ich mein Leben um diese Situation herum neu geordnet habe, um Zack herum. Ich habe mein Büro in New York eingerichtet, um hier sein zu können, in der Nähe seiner Mutter, damit er uns beide hat. Normalerweise habe ich absolut regelmäßige Arbeitszeiten. An Wochenenden arbeite ich in Doppelschichten, um für jedes Arbeitswochenende zwei freie zu haben.«
    »Waren Sie dieses Wochenende bei einem Treffen der AA?«
    Eph hielt inne; es war, als würde ihm die Luft abgedrückt. »Haben Sie mir überhaupt zugehört?«
    »Hatten Sie das Bedürfnis zu trinken?«
    »Nein«, knurrte er. »Ich bin jetzt seit dreiundzwanzig Monaten trocken, und das wissen Sie genau.«
    »Dr. Goodweather, es geht hier nicht um die Frage, wer Ihren Sohn mehr liebt. Darum geht es in solchen Fällen nie. Es ist schön, dass Ihnen so viel an Ihrem Sohn liegt. Aber der Staat New York legt klare Richtlinien fest, an die ich mich bei meiner Empfehlung an den Richter halten muss.«
    Eph schluckte bitter. Er wollte sie unterbrechen, ließ es aber sein.
    »Sie haben sich der ursprünglichen Sorgerechtsentscheidung des Familiengerichts widersetzt, haben sämtliche Register gezogen, um sie zu verhindern. Und ich sehe das als Gradmesser Ihrer Zuneigung zu Zachary. Außerdem haben Sie große persönliche Anstrengungen unternommen, das ist offenkundig und äußerst bewundernswert. Jetzt müssen wir allerdings feststellen, dass Sie, wenn Sie so wollen, vor der letzten Instanz stehen. Gemäß den Vorschriften, die wir anwenden, um Sorgerechtsfragen zu schlichten. Besuchsrechte standen natürlich nie zur Debatte ... «
    »Nein, nein, nein«, murmelte Eph. Er fühlte sich wie jemand, der jeden Augenblick von einem entgegenkommenden Fahrzeug überrollt werden konnte. Das Gefühl, das er schon das ganze Wochenende über hatte. Er wünschte, er könnte die Zeit zurückdrehen - zu dem Moment, als er und Zack in seinem Wohnzimmer gesessen, China-Mampf gegessen und Videospiele gespielt hatten. Das ganze Wochenende noch vor sich. Wunderbar ...
    »Was ich damit sagen will, Dr. Goodweather, ist, dass ich keinen großen Sinn darin sehe, noch weiterzumachen.«
    Eph drehte sich zu Nora um, die ihm in die Augen blickte und sofort verstand, was er gerade durchmachte. »Nun, das ist vielleicht Ihre Meinung, Dr. Kempner. Aber die Sache ist noch nicht vorbei. Keineswegs.« Damit legte er auf und wandte sich ab. Er wusste, dass Nora ihn in diesem Moment nicht ansprechen würde. Dafür war er dankbar, denn er wollte nicht, dass sie seine Tränen sah.
     

Die Erste Nacht
     
    Einige Stunden später, in der Autopsie im Keller der New Yorker Gerichtsmedizin, machte Gossett Bennett nach einem langen Tag Feierabend. Eigentlich hätte er erschöpft sein müssen, doch er war ziemlich aufgekratzt, denn genau hier, in diesem Raum, vollzog sich gerade etwas höchst Außergewöhnliches. Es war so, als würden eherne Gesetze von Tod und Verwesung neu geschrieben. All das ging weit über die Schulmedizin hinaus, ja über die ganze Humanbiologie ...
    Wie angekündigt, hatte er sämtliche Leichenöffnungen für den Abend gestoppt. Einige forensische Ermittler setzten ihre Arbeit oben in den Büros fort, doch der Obduktionssaal gehörte Bennett. Während des Besuchs der CDC-Ärzte war ihm an der Blutprobe, die er genommen hatte - genauer gesagt an der opalisierenden Flüssigkeit, die er in einem Probenglas aufgefangen hatte -, etwas aufgefallen. Er hatte das Glas in einen der Kühlschränke für Gewebeproben gestellt, hinter die anderen Laborgeräte, wie das letzte Bier im Kühlschrank einer Wohngemeinschaft.
    Jetzt saß er auf einem Hocker am Untersuchungstisch neben dem Waschbecken, schraubte vorsichtig den Deckel des Glases ab und warf einen Blick hinein. Wartete. Und da:
    Nach einigen Sekunden kräuselte sich die Oberfläche des weißen Blutes. Bennett erschauerte. Er holte tief Luft. Dann stellte er ein identisches Glas mit einfachem Leitungswasser neben die Probe. Er musste sich vergewissern, dass das Kräuseln nicht Folge von Vibrationen, etwa von einem vorbeifahrenden Lastwagen, war.
    Er wartete, beobachtete.
    Und da war es wieder. Die zähe weiße Flüssigkeit kräuselte sich - er sah es ganz deutlich -, während bei dem weit

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