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Die Saat

Die Saat

Titel: Die Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillermo Del Toro
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vorbereitet. Doch statt nach einem Skalpell griff Bennett nach einem Instrument, das in der Pathologie wohl nur selten benutzt wird: einem Stethoskop.
    »Das ist mir vorhin aufgefallen«, sagte er und hielt Eph den Ohrbügel hin. Dann forderte Bennett alle Anwesenden auf, ruhig zu sein. Ein Assistent stellte schnell die Wasserhähne ab.
    Bennett drückte die Membran des Stethoskops unterhalb des Sternums auf die Brust der Leiche. Eph beugte sich vor und lauschte. Ein wenig beklommen, als hätte er Angst vor dem, was er da zu hören bekommen würde. Doch er hörte nichts. Er sah fragend zu Bennett auf, der seinen Blick ausdruckslos erwiderte. Also schloss Eph die Augen und konzentrierte sich.
    Es war ganz schwach. Ein Geräusch, als würde sich etwas im Matsch winden. So leise, dass Eph nicht sicher war, ob er es sich nicht doch nur einbildete. Er reichte das Stethoskop an Nora weiter.
    »Maden?«, fragte sie nach einer Weile.
    Bennett schüttelte den Kopf. »Kein Madenbefall - was zum Teil die ausbleibende Verwesung erklärt. Aber es gibt einige andere faszinierende Anomalien ... « Mit einer Handbewegung forderte er die anderen im Raum auf, ihre Arbeit fortzusetzen. Dann griff er nach einem großen Skalpell. Doch anstatt zum üblichen Y-Schnitt am Brustkorb anzusetzen, nahm er ein Probenglas von einem der emaillierten Tische und hielt es unter die linke Hand der Leiche. Mit einem schnellen Ruck zog er das Skalpell über die Unterseite des Handgelenks, öffnete es wie eine Orange.
    Eine helle, schillernde Flüssigkeit trat aus, von der etwas auf Bennetts Handschuhe und Hüfte spritzte, bevor sie gleichmäßig in das Glas floss. Ziemlich schnell zuerst, aber da kein Herzschlag und somit auch kein Kreislaufdruck mehr vorhanden waren, verlor der Strahl nach etwa achtzig Millilitern an Kraft. Bennett senkte den Arm der Toten, um so viel wie möglich herauszuholen.
    Eph betrachtete die Flüssigkeit genauer. Erstaunlich. Das konnte kein Blut sein. Nach dem Tod setzt sich das Blut ab und gerinnt - es fließt nicht heraus wie Motoröl. Und es wird nicht weiß.
    Lieutenant
-
die Leichen
-
sie sind
...
    Bennett hob das Glas ins Licht. »Zuerst dachte ich, die Proteine würden ausfällen. So wie Öl, das sich oben auf dem Wasser absetzt. Aber das ist es nicht.«
    Der Stoff war tatsächlich käsig weiß, als wäre im gesamten Körper das Blut durch saure Milch ersetzt worden. Bei diesem Anblick verging Eph gründlich die Lust auf seine geliebte Vollmilch.
    Lieutenant
...
Mein Gott!
    »Ist das bei allen so? «, fragte Nora.
    Bennett nickte. »Ja. Sie alle haben kein Blut mehr in sich.
    Und da ist noch etwas: Die Temperatur der Körper ist erhöht. Auf irgendeine Weise erzeugen diese Leichen immer noch Wärme. Und wir haben an einigen Organen dunkle Flecken gefunden. Keine Nekrose, eher so etwas wie ... na ja, wie Prellungen.« Er stellte das Glas mit der Flüssigkeit weg und rief eine Assistentin zu sich, die ein undurchsichtiges Plastikgefäß brachte. Bennett entfernte den Deckel, griff hinein, nahm ein Organ heraus und legte es wie einen Braten frisch vom Metzger auf die Arbeitsfläche. Es war ein menschliches Herz. Der Pathologe deutete auf die Stelle, wo es mit den Arterien verbunden gewesen war. »Sehen Sie die Klappen? Es sieht aus, als hätten sie sich so weit verändert, dass sie immer offen stehen. Aber das kann bei einem lebenden Organismus nicht sein. Die Klappen müssen sich öffnen und schließen können, um das Blut durch den Körper zu pumpen. Diese Anomalie kann unmöglich angeboren sein.«
    Eph legte die Stirn in Falten. Der Gerichtsmediziner hatte Recht: Es war unvorstellbar, dass ein menschliches Wesen mit einem solchen Herzen bis ins Erwachsenenalter hätte überleben können.
    »Haben Sie die Krankenakten der Leute?«, fragte Nora. »Irgendetwas, womit wir das hier abgleichen können?«
    »Noch nicht. Wahrscheinlich erst morgen früh. Bis dahin werden wir langsamer vorgehen als üblich,
viel
langsamer. Ich mache hier gleich alles dicht und arbeite morgen mit zusätzlichem Personal weiter. Ich will jedes noch so kleine Detail überprüfen. Wie das hier.« Bennett führte sie zu der vollständig sezierten Leiche eines erwachsenen Mannes mittlerer Größe. Der Hals war bis zum Rachen geöffnet, und der Kehlkopf sowie die Luftröhre waren freigelegt worden, so dass die Stimmbänder deutlich zu sehen waren. »Sehen Sie die Taschenfalten?« Diese Schleimhäute, auch» falsche Stimmbänder« genannt, waren einzig

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