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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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nicht erbettelt, sondern verdient …
    Als sie näher kamen, erkannte Tom mit geschultem Blick, dass der Zustand der Zinnen auf dem Torhaus sehr zu wünschen übrigließ. Einige größere Steine waren herausgebrochen, sodass die Brüstungen stellenweise fast eingeebnet waren. Auch im Torbogen hatten sich Mauersteine gelockert.
    Die beiden Wachposten am Tor waren ungewöhnlich aufmerksam. Einer von ihnen fragte Tom, was er auf der Burg wolle.
    »Bin Steinmetz«, erwiderte er. »Hoffe auf eine Anstellung im Steinbruch des Grafen.«
    »Da wendet Ihr Euch am besten an den Haushofmeister«, meinte der Wachposten hilfsbereit. »Er heißt Matthew. Wahrscheinlich findet Ihr ihn im großen Saal.«
    »Danke«, sagte Tom. »Was ist das für ein Mann?«
    Der Posten grinste seinen Kollegen an und antwortete: »Von ›Mann‹ kann man da eigentlich nicht sprechen …« Die beiden lachten.
    Ich werde schon herausfinden, was das zu bedeuten hat, dachte Tom und betrat mit Ellen und den Kindern im Gefolge den Innenhof. Die Wirtschaftsgebäude waren überwiegend aus Holz; einige von ihnen verfügten allerdings über steinerne Sockel. Bei dem einzigen echten Steingebäude handelte es sich allem Anschein nach um die Kapelle. Auf dem Weg über den Burghof stellte Tom fest, dass die Zinnen und Brüstungen aller Wachtürme reparaturbedürftig waren. Sie überquerten die Brücke, die zum oberen Ring führte, und meldeten sich beim Wachposten im Torhaus. Tom erklärte, dass er Haushofmeister Matthew sprechen wolle. Sie wurden eingelassen, begaben sich ohne Umschweife zum Wohnturm und stiegen die Holztreppe empor, die zum großen Saal führte.
    Tom erkannte den Grafen und seinen Haushofmeister sofort an ihren Kleidern. Graf Bartholomäus trug eine lange Tunika mit bauschigen Ärmelaufschlägen und besticktem Saum. Matthews Tunika war kürzer. Sie entsprach im Schnitt Toms eigener, war aber aus weicherem Stoff geschneidert. Auf dem Kopf trug Matthew eine kleine runde Mütze. Die beiden Männer hielten sich unweit der Feuerstelle auf – der Graf saß, der Haushofmeister stand. Tom ging auf sie zu, blieb dann aber in respektvoller Entfernung stehen, um zu warten, bis man auf ihn aufmerksam wurde. Graf Bartholomäus war ein hochgewachsener Mann über fünfzig. Er hatte schlohweiße Haare und ein hageres, blasses Gesicht. Seine hochmütige Miene verriet keine Spur von Großherzigkeit. Der Haushofmeister war jünger. So, wie er dastand, erinnerte er Tom an die Bemerkung des Torwächters: Er wirkte feminin. Tom wusste nicht, was er davon halten sollte.
    Im Saal befanden sich noch verschiedene andere Personen, die jedoch allesamt von Tom keine Notiz nahmen. Das Gespräch zwischen dem Grafen und seinem Haushofmeister dauerte schier endlos und stürzte den wartenden Tom in ein Wechselbad aus Angst und Hoffnung. Als es endlich zu Ende war, verneigte sich der Haushofmeister und wandte sich zum Gehen. Tom fasste sich ein Herz, trat vor und sagte: »Seid Ihr Matthew?«
    »Ja, der bin ich.«
    »Ich heiße Tom Builder, bin Steinmetz und Baumeister. Ich bin ein tüchtiger Handwerker. Meine Kinder hungern. Wie ich hörte, besitzt Ihr einen Steinbruch …« Er hielt den Atem an.
    »In der Tat, den besitzen wir«, antwortete Matthew. »Aber ich glaube nicht, dass wir gegenwärtig weitere Steinbrecher benötigen.« Er sah sich nach dem Grafen um, der kaum merklich den Kopf schüttelte. »Nein«, fuhr er dann fort. »Wir können Euch nicht anstellen.«
    Es war die Schnelligkeit der Entscheidung, die Tom das Herz brach. Ablehnungen, die in ernstem Ton oder nach einiger Bedenkzeit ausgesprochen wurden, vielleicht auch mit einigen Worten des Bedauerns, waren leichter zu ertragen. Dieser Matthew war kein schlechter Kerl, das hatte Tom sofort erkannt. Aber er war sehr beschäftigt. In Tom und seiner Familie sah er ein neues Problem auf sich zukommen, dass er sich so schnell wie möglich vom Hals schaffen wollte.
    »Ich könnte hier auf der Burg verschiedene Reparaturen durchführen«, sagte Tom in seiner Verzweiflung.
    »Solche Dinge erledigt unser Stellmacher«, sagte Matthew.
    Die Stellmacher waren auf den Burgen oft Mädchen für alles und verstanden vom Bauhandwerk meist herzlich wenig. »Ich bin Maurer und Steinmetz«, sagte Tom. »Meine Mauern sind stark.«
    Es gefiel Matthew nicht, dass Tom ihm so hartnäckig widersprach. Er wollte grob werden, doch dann fiel sein Blick auf die Kinder, und seine Züge entspannten sich wieder. »Ich würde Euch ja gerne

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