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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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eine Laufplanke, die Jack erreichte, nachdem er sich vollends durch die Maueröffnung gezwängt hatte. Klein, wie er war, konnte er gerade noch aufrecht stehen. Schon nach ein paar Schritten war ihm klar, dass ein Feuer hier reichlich Nahrung finden würde: Rundherum gab es trockenes Holz in Hülle und Fülle. Er hob die Nase, prüfte den merkwürdigen Geruch, der in der Luft hing, und kam zu dem Schluss, dass es sich um Pech handeln musste. Das Dachgebälk war geteert. Es würde brennen wie Zunder.
    Ein unerwartetes Rascheln auf dem Boden schreckte ihn auf. Er musste an den kopflosen Ritter im Fluss und die gespenstische Prozession im Kreuzgang denken. Dann sagte er sich, wahrscheinlich sind es Mäuse, und beruhigte sich. Erst, als er genauer hinsah, merkte er, dass das Geräusch von Vögeln stammte, die unter den Balken nisteten.
    Der Dachstuhl entsprach in seinem Grundriss dem gemauerten Bau, den er bedeckte. In Höhe der Vierung zweigten dementsprechend die Dächer der Querhäuser ab. An der Ecke blieb Jack stehen. Wenn ihn sein Ortssinn nicht trog, musste er sich jetzt direkt oberhalb der kleinen Wendeltreppe befinden, über die er die Galerie erreicht hatte. Wäre es ihm mit dem Feuer ernst gewesen, so war er nun an der richtigen Stelle, denn die Flammen konnten sich von hier aus in alle vier Himmelsrichtungen ausbreiten – sowohl über das Hauptschiff und die Apsis sowie in beide Querhäuser hinein.
    Die Tragbalken des Dachs bestanden aus Eichenkernholz, und es war trotz ihres Teeranstrichs keineswegs sicher, dass sie sich mit einer einfachen Kerzenflamme entzünden ließen. Aber unter den Balken lag allerhand Unrat herum – Hobelspäne und Reste von alten Säcken und Tauen, auch ein altes, verlassenes Nest. Das ideale Material … Er brauchte es nur zu einem kleinen Haufen zusammenzutragen.
    Seine Kerze war schon ziemlich weit heruntergebrannt.
    Es schien alles so einfach … Den Unrat zusammentragen – die Flamme dranhalten – abhauen. Wie ein Geist über den Klosterhof gehuscht, auf leisen Sohlen ins Gästehaus geschlüpft, die Tür verriegeln, ins Stroh fallen und abwarten, bis Alarm geschlagen wurde …
    Aber wenn jemand mich sieht …
    Wenn mich jetzt jemand erwischt, dachte Jack, kann ich mich immer noch herausreden. Ich wollte mir nur einmal die Kathedrale bei Nacht ansehen. Mehr als eine Tracht Prügel hätte ich nicht zu befürchten. Aber wenn sie mich dabei ertappen, wie ich gerade die Kirche in Brand stecke, dann ist es mit Prügeln nicht getan. Jack dachte an den Zuckerdieb mit dem blutenden Hintern. Er erinnerte sich auch an verschiedene grausame Strafen, denen die Outlaws im Wald unterworfen gewesen waren: Faramond Openmouth hatte man die Lippen abgeschnitten und Jack Flathat eine Hand abgehackt. Alan Catface war in den Stock gelegt und mit Steinen beworfen worden, sodass er danach nie wieder richtig sprechen konnte. Schlimmer noch waren Berichte über Menschen, die die ihnen zugedachten Strafen nicht überlebt hatten: Einen Mörder hatte man gefesselt in ein Fass gesteckt, dessen Innenseite rundum mit Eisendornen versehen war, und dann hatte man das Fass einen Abhang hinunterrollen lassen … Ein Pferdedieb war bei lebendigem Leib verbrannt, eine diebische Hure gepfählt worden … Was werden sie mit einem Jungen anstellen, der eine Kathedrale in Schutt und Asche gelegt hat?
    Nachdenklich begann er, den leicht entzündbaren Unrat auf der Laufplanke zusammenzutragen, direkt unter einer der mächtigen Streben.
    Als der Haufen ungefähr fußhoch war, setzte Jack sich hin und starrte ihn an.
    Seine Kerze flackerte. In wenigen Augenblicken würde sie ausgehen, und die Chance war vertan.
    Kurz entschlossen hielt er die Kerzenflamme an einen Fetzen altes Sackleinen, der sogleich Feuer fing. Die Flamme griff auf ein paar alte Hobelspäne über, erfasste ein ausgetrocknetes Vogelnest und flackerte lustig auf.
    Ich kann es immer noch austreten, dachte Jack.
    Das Anfeuermaterial verbrannte ein wenig zu schnell: Es stand zu erwarten, dass es aufgezehrt war, bevor das Dachgebälk Feuer fing. Eilig sammelte Jack noch Nachschub und warf es in den Brandherd. Die Flammen stiegen höher. Ich kann es immer noch austreten, dachte Jack noch einmal. Das Pech, mit dem der Balken verschmiert war, begann zu qualmen. Der Unrat war schon fast verbrannt. Ich könnte es einfach wieder ausgehen lassen, dachte Jack, doch dann bemerkte er, dass die Laufplanke Feuer gefangen hatte. Mit meinem Umhang kann ich die

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