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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Außerdem – wie soll ich beweisen, dass das Schwein mir gehört? Steht ihm vielleicht mein Name auf dem Hintern geschrieben?«
    »Aber unsere Ersparnisse …«
    »Kann immer noch sein, dass wir das Geld wiederbekommen. Schweig jetzt still, und lass mich nachdenken.« Der Streit mit dem Schlachter hatte Tom aufgeregt, und der raue Ton, in dem er Agnes anfuhr, verschaffte ihm eine gewisse Erleichterung. »Irgendwo in dieser Stadt läuft ein Kerl ohne Lippen herum, der fünfzig Silberpennys im Beutel hat. Wir müssen ihn bloß finden und ihm das Geld abnehmen.«
    »Genau«, sagte Agnes entschlossen.
    »Geh du zurück zum Kirchhof – den Weg, auf dem wir gekommen sind. Ich gehe weiter und komme dann von der anderen Seite zur Kathedrale. Danach kehren wir dann durch die nächste Straße hierher zurück – und so weiter. Womöglich hockt er schon in einer Schenke. Wenn du ihn siehst, bleib in der Nähe, und schick Martha nach mir. Alfred nehme ich mit. Sieh zu, dass der Kerl dich nicht erkennt.«
    »Keine Sorge«, erwiderte Agnes mit finsterer Entschlossenheit. »Ich will das Geld zurück. Ich brauche es, um meine Kinder zu ernähren.«
    Tom berührte ihren Arm und lächelte. »Du bist eine Löwin, Agnes!«
    Sie sah ihm in die Augen, hob sich unvermittelt auf die Zehenspitzen und küsste ihn kurz, aber fest auf den Mund. Dann drehte sie sich um und ging mit Martha im Schlepptau über den Marktplatz. Tom blickte ihnen nach, bis sie außer Sichtweite waren; erst dann setzte er mit Alfred seinen Weg fort. Trotz des Mutes, den Agnes bewiesen hatte, machte er sich Sorgen um sie.
    Der Dieb fühlte sich offenbar sicher. Kein Wunder: Zum Zeitpunkt seines Überfalls hatten sich Tom und seine Familie auf dem Weg nach Winchester befunden. So war er einfach in entgegengesetzter Richtung davongelaufen und hatte das Schwein in Salisbury verhökert. Tom hatte ja erst, nachdem er von Ellen auf den Umbau der Kathedrale von Salisbury hingewiesen worden war, seine Pläne geändert. Ohne es zu wissen, war er damit dem Wegelagerer auf den Fersen geblieben. Der Dieb dachte nicht im Traume daran, dass er Tom je wiederbegegnen würde, und genau darin lag ihr Vorteil: Sie konnten ihn überraschen.
    Langsam zogen sie durch die matschigen Straßen. Tom spähte verstohlen in alle Häuser, deren Tür offen stand, bemühte sich aber sorgsam darum, nicht aufzufallen. Es war nicht auszuschließen, dass die Angelegenheit mit einer gewaltsamen Auseinandersetzung endete; da konnte es nur von Nachteil sein, wenn sich alle Welt an einen hochgewachsenen Steinmetz erinnerte, der die halbe Stadt durchsucht hatte. Die meisten Behausungen waren elende Hütten aus Holz, Lehm und Schilf mit einer Feuerstelle in der Mitte und ein paar einfachen, selbst gefertigten Möbeln auf dem strohbedeckten Fußboden. Ein Fass und ein paar Bänke bedeuteten eine Schenke; ein mit einem Vorhang verhängtes Bett in der Ecke verriet die Hure; lärmendes Volk, das sich um einen einzelnen Tisch drängte, die Würfelstube.
    Eine Frau mit rot bemalten Lippen ließ ihn ihre Brüste sehen, doch Tom schüttelte nur den Kopf und ging rasch weiter. Insgeheim verlockte ihn zwar die Vorstellung, es am helllichten Tag mit einer ihm gänzlich unbekannten Frau zu treiben und sie dafür zu bezahlen, doch hatte er es noch nie in seinem Leben getan.
    Ellen fiel ihm ein, die Vogelfreie. Auch sie hatte ihn gereizt. Sie war von verführerischer Schönheit, doch der durchdringende Blick ihrer tiefliegenden Augen hatte etwas Einschüchterndes. Das freizügige Angebot einer Hure irritierte Tom nur vorübergehend; der Zauber Ellens hingegen wirkte nach. Urplötzlich packte ihn der unsinnige Wunsch, in die Wälder zurückzulaufen, sie zu suchen und über sie herzufallen.
    Sie erreichten die Kathedrale, ohne den Dieb gefunden zu haben. Tom beobachtete die Dachdecker, die das dreieckige Holzdach über dem Mittelschiff mit Bleiplatten versahen. Da die Pultdächer der Seitenschiffe noch nicht gedeckt waren, ließen sich noch die Halbbögen ausmachen, welche die Seitenschiffe mit der Mauer des Hauptschiffs verbanden und die obere Hälfte des Langhauses trugen. Er machte Alfred darauf aufmerksam: »Ohne diese Stützen würde das Gewicht der steinernen Gewölbe im Innern der Kirche die Mauer des Hauptschiffs nach außen drücken«, erklärte er. »Siehst du, dass sich die Halbbögen auf einer Linie mit den Strebepfeilern in der Mauer des Seitenschiffs befinden? Innen wird diese Linie durch die Säulen der

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