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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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zwischen Belustigung und Unmut schwankend.
    »Ich bitte um Entschuldigung, Herr, aber ich habe nachgedacht«, sagte Philip und verneigte sich reichlich verspätet.
    »Macht nichts. Ich will mir Eure Kutte borgen.«
    »Was?« Philip war viel zu überrascht, um gute Manieren an den Tag zu legen.
    »Ich will die Burg genauer in Augenschein nehmen. Wenn ich wie ein Mönch aussehe, schießen sie wenigstens nicht mit Pfeilen nach mir. Macht schon – geht in eine der Kapellen, und zieht Euer Gewand aus.«
    Philip trug nur ein Unterhemd unter seiner Kutte. »Aber Herr, was soll ich dann anziehen?«
    »Ich vergaß, wie keusch Ihr Mönche seid.« Stephan schnipste mit den Fingern nach einem jungen Ritter. »Robert – leiht mir Euren Waffenrock, schnell.«
    Der Ritter, der sich gerade mit einem Mädchen unterhielt, zog sich geschwind aus, reichte dem König mit einer Verbeugung seinen Rock und wandte sich mit einer obszönen Geste wieder dem Mädchen zu. Seine Freunde lachten und grölten.
    Philip schlüpfte in die winzige Kapelle von Sankt Dunstan, bat den Heiligen mit einem hastig gemurmelten Gebet um Vergebung, zog seine Kutte aus und legte den kurzen, scharlachroten Waffenrock des Ritters an. Es war seltsam. Seit seinem sechsten Lebensjahr war er in Mönchsgewändern gegangen – nun hätte er sich nicht merkwürdiger fühlen können, hätte er sich als Frau verkleidet. Er verließ die Kapelle und reichte seine Kutte Stephan, der sie sich rasch über den Kopf zog.
    Dann sagte der König zu seiner Überraschung: »Wenn Ihr wollt, könnt Ihr mit mir kommen und mir über die Kathedrale in Kingsbridge berichten.«
    Philip war verblüfft. Im ersten Moment wollte er ablehnen. Durchaus denkbar, dass einer der Wachposten auf den Burgzinnen nun, da ihn seine Mönchstracht nicht mehr schützte, auf ihn zielte. Doch andererseits bot sich die Möglichkeit, mit dem König ungestört allein zu sein und ihm in aller Ruhe die Angelegenheit mit dem Steinbruch und dem Markt auseinanderzusetzen: Eine solche Gelegenheit käme wahrscheinlich nie wieder.
    Stephan hob seinen purpurnen, an Kragen und Saum mit weißem Fell besetzten Umhang auf. »Legt ihn um«, sagte er zu Philip. »Damit lenkt Ihr die Aufmerksamkeit von mir ab und auf Euch.«
    Sämtliche Höflinge waren verstummt und verfolgten neugierig den Gang der Dinge.
    Philip begriff, dass der König ihm damit unmissverständlich zu verstehen gab, dass er in einem Heerlager nichts zu suchen hatte und nicht mit Privilegien auf Kosten derer rechnen durfte, die Kopf und Kragen für den König riskierten. Das war nichts Unbilliges verlangt. Doch Philip wusste auch: Wenn er den Standpunkt des Königs einfach hinnahm, so konnte er ebenso gut gleich den Heimweg antreten und jegliche Hoffnung auf die neuerliche Nutzung des Steinbruchs und die Wiedereröffnung des Marktes begraben. Ihm blieb nichts anderes übrig, als die Herausforderung anzunehmen. Er holte tief Luft und sagte: »Vielleicht ist es Gottes Wille, dass ich für den König sterbe.« Er griff nach dem purpurroten Umhang und legte ihn an.
    Überraschtes Gemurmel erhob sich aus der Menge, und selbst König Stephan wirkte verdutzt. Sie hatten erwartet, Philip würde einen Rückzieher machen. Philip biss sich auf die Zunge und wünschte, er hätte sich aus der Affäre gezogen. Jetzt war es zu spät.
    Stephan machte kehrt und ging auf das Nordportal zu. Philip folgte ihm. Einige Höflinge machten Anstalten, ihnen ebenfalls zu folgen, aber Stephan winkte ab und sagte: »In Begleitung des gesamten königlichen Hofes würde selbst ein Mönch Aufmerksamkeit erregen.« Er stülpte die Kapuze an Philips Kutte über den Kopf, und sie traten auf den Friedhof hinaus.
    Philips kostbarer Umhang zog neugierige Blicke auf sich, als die beiden sich einen Weg durch das Heerlager bahnten: Die Männer hielten ihn für einen Baron und wunderten sich, warum sie ihn nicht kannten. Die Aufmerksamkeit, die ihm plötzlich entgegenschlug, während Stephan keines Blicks gewürdigt wurde, machte Philip schuldbewusst, als wäre er ein Hochstapler.
    Sie gingen nicht direkt auf das Haupttor der Burg zu, sondern durch ein Gewirr von schmalen Gassen, bis sie unweit der Kirche St.-Paul-in-the-Bail gegenüber der Nordostecke der Burg herauskamen. Die Burgmauern waren auf soliden Erdwällen errichtet und von einem trockenen Graben umgeben. Zwischen dem Grabenrand und den nächstliegenden Gebäuden erstreckte sich etwa hundert Schritt weit unbebautes Gelände. Stephan

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