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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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trat auf die grasbewachsene Fläche hinaus und wandte sich gen Westen, wobei er die Nordmauer einer eingehenden Prüfung unterzog und sich dicht an die Rückwände der Häuser am Rande des offenen Geländes hielt. Stephan ließ Philip zu seiner Linken, also zwischen sich und der Burg gehen. Das unbebaute Gelände diente natürlich dazu, den Bogenschützen freies Schussfeld zu gewähren.
    Philip hatte zwar keine Angst vor dem Tod, doch Schmerzen fürchtete er, sodass sein Hauptgedanke der Frage galt, wie weh ihm ein Pfeil wohl tun würde.
    »Habt Ihr Angst, Philip?«, fragte Stephan.
    »Schreckliche Angst«, erwiderte Philip offen und fügte, durch die Flucht leichtsinnig geworden, hinzu: »Und Ihr?«
    Der König lachte über die kecke Frage. »Ein wenig«, gab er zu.
    Philip fiel wieder ein, dass er bei dieser Gelegenheit mit dem König über die Kathedrale sprechen wollte, aber er konnte keinen klaren Gedanken fassen, solange er in Lebensgefahr schwebte. Sein Blick glitt immer wieder zur Burg hinüber und suchte die Wallanlage nach einem schussbereiten Bogenschützen ab.
    Die Burg nahm die gesamte Südostecke der Innenstadt ein und bildete im Westen sogar einen Teil der Stadtmauer, sodass man, wollte man sie umrunden, die Stadt verlassen musste. Stephan führte Philip durch das Westtor in einen Vorort namens Newland. Hier ähnelten die aus Flechtwerk und Lehm gebauten Behausungen eher Bauernkaten und hatten große, sonst nur in Dörfern übliche Gärten. Über die offenen Felder wehte ein bitterlich kalter Wind. Stephan bog nach Süden ab, immer noch am Rand der Burg entlang. Er zeigte auf eine kleine Pforte in der Burgmauer. »Als ich die Stadt eroberte, muss Ranulf von Chester hierdurch geflohen sein«, sagte er.
    Philips Angst hatte sich etwas gelegt. Außer ihnen benutzten noch andere den Pfad, und außerdem waren die Wallanlagen auf dieser Seite weniger stark bewacht, weil die Besetzer der Burg keinen Angriff vom offenen Lande, sondern aus der Stadt befürchteten. Philip holte tief Luft und platzte dann heraus: »Falls ich sterbe, werdet Ihr dann Kingsbridge einen Markt geben und William Hamleigh dazu bewegen, dem Kloster den Steinbruch zu überlassen?«
    Stephan antwortete nicht gleich. Sie gingen nun bergab gen Südosten und schauten zum Wohnturm auf, der von ihrem Standpunkt aus ganz und gar uneinnehmbar wirkte. An der Ecke bogen sie durch ein weiteres Tor und betraten die Unterstadt, wo sie die Südseite der Burg abschritten. Philip fühlte sich erneut in Gefahr. Ein Burginsasse, der die beiden Männer auf ihrem Rundgang um die Mauer beobachtete, konnte ohne Schwierigkeiten den Schluss ziehen, dass sie einen Erkundungsgang machten, und sie als leichte Beute betrachten, vor allem ihn in dem purpurnen Königsmantel. Um sich von seiner Furcht abzulenken, musterte er den Wohnturm. Die Wand wies mehrere kleine Löcher auf, Abflüsse für die Latrinen. Der herausgespülte Dreck landete einfach auf Mauern und Wall, wo er liegen blieb, bis er verrottete. Kein Wunder, dass es hier so stank. Philip hielt den Atem an, und sie eilten weiter.
    Am südöstlichen Ende gab es einen zweiten, kleineren Turm. Philip und Stephan hatten die Burg nun zu drei Vierteln umrundet. Philip fragte sich, ob Stephan seine Frage inzwischen vergessen hatte. Er wagte nicht, sie zu wiederholen. Der König könnte ihn für aufdringlich halten und sich womöglich gekränkt fühlen.
    An der Hauptstraße, die mitten durch die Stadt führte, bogen sie erneut um die Ecke. Noch bevor Philip einen Seufzer der Erleichterung ausstoßen konnte, hatten sie ein weiteres Tor passiert und befanden sich wenige Augenblicke später wieder im Niemandsland zwischen Kathedrale und Burg.
    Blankes Entsetzen erfasste Philip, als der König ausgerechnet hier stehen blieb und sich dabei in eine Stellung manövrierte, die es ihm ermöglichte, dem Prior über die Schulter zu spähen und die Burg einer genauen Musterung zu unterziehen – die aber Philips auffälligen, in Purpur und Hermelin gewandeten Rücken praktisch zur Zielscheibe eines jeden Postens und Bogenschützen machte, von denen es im Torhaus nur so wimmelte. Jeden Moment konnte ihn ein Pfeil oder eine Lanze von hinten durchbohren! Vor Schreck erstarrte er zur Bildsäule, und trotz des eiskalten Windes brach ihm der Schweiß aus allen Poren.
    »Ich gab Euch diesen Steinbruch schon vor Jahren, nicht wahr?«, sagte König Stephan.
    »Nicht ganz«, erwiderte Philip mit zusammengebissenen Zähnen. »Ihr habt

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