Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth
Furt.«
»Ich mache mich sofort auf den Weg«, sagte Edward.
»Bravo!«, sagte König Stephan. Er schlug die zur Faust geballte Rechte in die linke Handfläche. »Endlich werde ich Robert von Gloucester auf dem Schlachtfeld begegnen. Ich wünschte nur, ich hätte mehr Männer. Aber dennoch – hundert Leute mehr fallen nicht so sehr ins Gewicht.«
Philip hörte sich das alles grimmig schweigend an. Eben war er noch drauf und dran gewesen, Stephans Einwilligung zu bekommen! Nun stand dem König der Kopf nach anderen Dingen. Doch Philip mochte sich nicht einfach geschlagen geben. Noch immer trug er den Purpurmantel des Königs. Er ließ ihn von den Schultern gleiten und hielt ihn dem König mit den Worten hin: »Wir schlüpfen besser wieder in unsere gewohnten Rollen, mein Herr und König.«
Stephan nickte zerstreut. Ein Höfling trat hinter ihn und half ihm beim Ausziehen der Mönchskutte. Philip reichte ihm die königliche Robe und sagte: »Herr, Ihr scheint meiner Bitte wohlgesonnen.«
Stephan wirkte ungehalten über die Mahnung. Er rückte seine Robe schulterzuckend zurecht und wollte gerade den Mund aufmachen, als sich eine neue Stimme vernehmen ließ.
»Mein Herr und König!«
Philip erkannte die Stimme, und sein Mut sank. Er drehte sich um und erblickte William Hamleigh.
»William, mein Junge!«, rief der König in dem dröhnend-herzhaften Tonfall, den er seinen Kriegern gegenüber anzuschlagen pflegte. »Ihr kommt genau zur rechten Zeit.«
William verneigte sich und sagte: »Herr, ich habe fünfzig Ritter und zweihundert Männer aus meiner Grafschaft mitgebracht.«
Philips Hoffnungen zerfielen zu Staub.
Stephan war ganz offensichtlich hocherfreut. »Was für ein guter Mann Ihr seid!«, sagte er herzlich. »Damit sind wir dem Feind überlegen!« Er legte William einen Arm um die Schulter und ging mit ihm in die Kathedrale.
Philip blieb wie angewurzelt stehen und sah ihnen nach. Um Haaresbreite hätte ich meine Mission erfüllt, dachte er voller Bitterkeit, doch dann kam William und hat mit seiner Armee den Sieg über die Gerechtigkeit davongetragen. Er sah, dass der Höfling noch immer seine Kutte hielt, nahm sie ihm ab und zog sie über. Der Höfling folgte dem König in den Dom. In Philips Enttäuschung mischte sich Bitterkeit, zumal ihm der Anblick der drei riesigen Bogenportale wieder seine Hoffnung in Erinnerung brachte, ebensolche Bogen in Kingsbridge bauen zu können. Doch König Stephan hatte sich auf William Hamleighs Seite geschlagen. Er hatte die Wahl gehabt: die Rechtmäßigkeit von Philips Anliegen gegen den Vorteil von Williams Armee. Der König hatte seine Prüfung nicht bestanden.
Nun blieb Philip nur noch eine Hoffnung: dass König Stephan die bevorstehende Schlacht verlor.
+++
Der Himmel klarte ein wenig auf, als der Bischof in der Kathedrale die Messe zelebrierte. Die Pferde waren bereits gesattelt, die Ritter trugen Panzerhemden, die Bewaffneten waren verköstigt und mit einem Trunk starken Weins gelabt worden, der ihnen Mut einflößen sollte.
In den Seitenschiffen stampften und schnaubten die Schlachtrösser, während William Hamleigh noch inmitten der Ritter und Grafen im Mittelschiff kniete und der Bischof ihnen im Voraus Absolution für all die Menschenleben erteilte, die sie im Laufe dieses Tages auf ihr Gewissen laden sollten.
William war vor Angst und Aufregung wie benommen. Trug der König heute den Sieg davon, so würde sein Name auf ewig mit dieser Schlacht verbunden sein, denn dann würde es heißen, dass er mit seiner Verstärkung das Zünglein an der Waage gewesen sei. Sollte der König aber verlieren … nichts war unmöglich. William zitterte auf dem kalten Steinfußboden.
Der König, in ein frisches, weißes Gewand gekleidet, stand vorne und hielt eine Kerze in der Hand. Als die Hostie emporgehalten wurde, brach die Kerze und erlosch. William wurde von Grauen erfasst: Das war ein schlechtes Omen! Ein Priester kam mit einer neuen Kerze und entfernte die zerbrochene, und Stephan lächelte unbekümmert, doch das Gefühl einer übernatürlichen Bedrohung wollte nicht weichen, und als William sich verstohlen umsah, hätte er schwören können, dass es allen anderen ebenso erging.
Nach dem Gottesdienst legte der König mit Hilfe eines Dieners sein Panzerzeug an, eine knielange Brünne aus Leder mit aufgenähten Eisenringen. Sie war vorn und hinten bis in Hüfthöhe geschlitzt, damit sie ihn beim Reiten nicht behinderte. Der Diener schnürte sie am Hals fest zu.
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