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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Handgriffe und eignete sich Schritt für Schritt seine Fähigkeiten an.
    Abbé Sugers Interesse galt weniger dem Baustil als den Ornamenten, und sein Hauptanliegen war die Schaffung einer neuen Ruhestätte für die sterblichen Überreste des heiligen Dionysius und seiner beiden Begleiter Rusticus und Eleutherius. Suger wollte die Gebeine aus der Krypta in den neuen Altarraum heraufbringen lassen. Ihm schwebte für die drei Särge ein steinernes, mit schwarzem Marmor verkleidetes Grabmal vor, dessen Oberfläche von einer Miniaturkirche aus vergoldetem Holz gekrönt sein sollte; im Mittel- und in den Seitenschiffen dieser Kirche sollten drei leere Särge platziert werden, für jeden Märtyrer einer. Das Grabmal sollte seinen Platz in der Mitte des neuen Chorraums finden, gleich hinter dem neuen Hochaltar. Sowohl der Altar als auch das Fundament des Grabmals befanden sich bereits an Ort und Stelle und die Miniaturkirche in der Bauhütte der Zimmerleute, wo ein unermüdlicher Handwerker das Holz aufs Sorgfältigste mit unschätzbar wertvoller Goldfarbe überzog. Suger war kein Mann der Halbherzigkeiten.
    Der Abbé erwies sich bei den Vorbereitungen für die Weihezeremonie als hervorragender Organisator. Alles, was Rang und Namen hatte, wurde geladen, und die meisten nahmen die Einladung an – darunter so hochstehende Persönlichkeiten wie der König und die Königin von Frankreich sowie neunzehn Erzbischöfe, einschließlich des Erzbischofs von Canterbury.
    Solcherlei Neuigkeiten machten natürlich die Runde unter den Bauleuten, die an und in der Kirche arbeiteten. Oft sah Jack Suger in seiner grob gewebten Kutte über das Klostergelände schreiten und seinen Mönchen Instruktionen erteilen. Sie folgten ihm auf Schritt und Tritt wie die Küken einer Glucke. Suger erinnerte Jack an Philip von Kingsbridge. Wie Philip war der Abbé armer Leute Kind und im Kloster aufgewachsen. Wie Philip hatte er die Finanzen des Klosters neu geordnet und die Verwaltung der Klostergüter gestrafft, sodass das Einkommen gewaltig gestiegen war. Und wie Philip verwendete auch Suger jeden überschüssigen Heller auf den Bau seiner Kirche. Er war erfindungsreich, tatkräftig und entscheidungsfreudig – genau wie Philip.
    Nur dass Philip, wenn es stimmte, was Aliena behauptete, inzwischen alle diese Eigenschaften verloren hatte.
    Jack vermochte es noch immer nicht so recht zu glauben – ein tatenloser Philip kam ihm so unwahrscheinlich vor wie ein urplötzlich zum Menschenfreund gewandelter Waleran Bigod. Allerdings hatte Philip viele schlimme Rückschläge hinnehmen müssen. Zuerst die Feuersbrunst in der Stadt – Jack schauderte heute noch, wenn er sich diesen entsetzlichen Tag in Erinnerung rief, den Rauch, die Angst, die furchtbaren Reiter mit ihren brennenden Pechfackeln, die blinde Panik der Menge. Möglich, dass Philip schon damals der Mut verlassen hatte; der Stadt jedenfalls war damals das Rückgrat gebrochen worden. Jack erinnerte sich noch allzu gut der Furcht und Unsicherheit, die über der Ortschaft lasteten wie Modergeruch. Philip hatte mit dem Weihegottesdienst für den neuen Chorraum gewiss ein Zeichen der Hoffnung setzen wollen – und nach der neuerlichen Katastrophe wohl selbst alle Hoffnung aufgegeben.
    Nun waren die Bauleute fort, der Markt kaum noch der Rede wert, die Einwohnerzahl sank. Die jungen Leute – so sagte Aliena – wanderten alle nach Shiring ab. Im Grunde handelte es sich um eine Frage der geistigen Stärke, denn das Kloster verfügte ja immer noch über seine Güter und über seine großen Schafherden, die jedes Jahr Hunderte von Pfund einbrachten. Ginge es nur ums Geld, so hätte Philip seine Bautätigkeit gewiss längst schon wieder aufnehmen können, wenn auch erst nach Überwindung bestimmter Schwierigkeiten: Maurer und Steinmetzen waren oft abergläubisch und arbeiteten nicht gerne an einer Kirche, die schon einmal eingestürzt war. Auch ließ sich die Begeisterung der Bevölkerung für den Bau schwerlich noch einmal zur alten Glut entfachen … Trotzdem: Der Plan stand und fiel mit Prior Philip, seinem Mut und seinem Einsatz. Jack hätte alles getan, um Philip seinen alten Mut zurückzugeben.
    Die Weihezeremonie stand unmittelbar bevor. In Saint-Denis trafen die ersten Gäste ein: Bischöfe, Erzbischöfe, Herzöge und Grafen. Allen Würdenträgern wurde die Kirche von außen und von innen gezeigt. Die wichtigsten Persönlichkeiten geleitete Abbé Suger selbst, die weniger hohen Herrschaften

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