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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Vielleicht bringt es Unglück, wenn wir den Kleinen nach ihm nennen. Der Mann, der für mich am ehesten einem Vater gleichkam, war Tom Builder.«
    »Möchtest du ihn dann Tom nennen?«
    »Ich glaube schon.«
    »Aber Tom war ein solcher Hüne – wie wär’s mit Tommy?«
    Jack nickte. »Ja, Tommy. Er soll Tommy heißen.«
    Besagter Tommy allerdings war, nachdem er sich satt getrunken hatte, der Bedeutung dieses Augenblicks gegenüber vollkommen unempfindlich – und einfach eingeschlafen. Aliena legte ihn auf den Boden und schob ihm ein zusammengefaltetes Schultertuch als Kissen unter den Kopf. Dann sah sie wieder Jack an. Sie fühlte sich unbehaglich – einerseits wünschte sie sich nichts sehnlicher, als dass er sie liebte, jetzt gleich, hier im Gras, andererseits fürchtete sie, ihn mit einer direkten Aufforderung zu verschrecken. Also sah sie ihn nur stumm an und hoffte.
    Schließlich fragte er: »Versprichst du mir, nicht schlecht von mir zu denken, wenn ich dir jetzt etwas verrate?«
    »Versprochen.«
    Er wirkte verlegen, aber er sagte: »Seit ich dich wiedergesehen habe, kann ich kaum noch an etwas anderes denken als an deinen nackten Körper unter dem Kleid.«
    Sie lächelte. »Deshalb denke ich doch nicht schlecht von dir«, sagte sie. »Ich freue mich darüber.« Er starrte sie gierig an, und sie fügte hinzu: »Es gefällt mir, wenn du mich so anschaust.«
    Jack schluckte schwer.
    Aliena breitete die Arme aus, und er kam zu ihr und umarmte sie.
    Fast zwei Jahre waren vergangen, seit sie sich zum ersten und einzigen Male geliebt hatten, und damals hatten sie sich beide von Verlangen und Reue mitreißen lassen. Jetzt waren sie nichts weiter als zwei Liebende in einem Getreidefeld.
    Seite an Seite ließen sie sich ins Gras gleiten und küssten sich. Aliena schloss die Augen und öffnete den Mund. Dann spürte sie, wie seine Hand ungeduldig ihren Körper erforschte und wie ihre Lenden zum Leben erwachten. Jack küsste sie sanft auf die Lider und auf die Nasenspitze und murmelte: »Es ist so lange her, und dabei habe ich mich so nach dir gesehnt, jeden Tag nach dir gesehnt.«
    Sie zog ihn fest an sich. »Wie bin ich froh, dass ich dich endlich gefunden habe!«
    Zärtlich und unbeschwert liebten sie sich auf dem freien Feld, während die Sonne auf sie herabschien und das Bächlein neben ihnen murmelte.
    Tommy verschlief das Ereignis. Er wachte erst wieder auf, nachdem seine Eltern Erfüllung gefunden hatten.
    Die hölzerne Dame hatte, seit Spanien hinter ihr lag, nicht mehr geweint. Da Jack nicht verstand, wie ihre Tränen zustande kamen, wusste er auch nicht, ob sie außerhalb ihres Heimatlandes überhaupt noch einmal weinen würde. Allerdings hegte er den Verdacht, dass die Tränen, die ihr in Spanien stets bei Einbruch der Nacht gekommen waren, mit der raschen Abkühlung der Luft zu tun hatten; dass die Tränen nun ausblieben, mochte vielleicht an der längeren Abenddämmerung in nördlicheren Gefilden liegen. Von ihr trennen wollte er sich nicht: Sie war eine Erinnerung an Toledo, vor allem an Raschid (und Ayscha, von der er Aliena freilich nichts erzählte). Als aber ein Steinmetz von Saint-Denis ein Modell für ein Standbild der Jungfrau Maria suchte, brachte Jack ihm die hölzerne Dame in seine Bauhütte und ließ sie dort stehen.
    Die Abtei hatte ihn eingestellt, und so beteiligte er sich an der Wiederherstellung der Kirche. Der neue Altarraum, der ihn so hingerissen hatte, war noch nicht ganz vollendet und sollte rechtzeitig zur Weihe am Johannistag fertiggestellt werden. Der rührige Abt war indessen schon darauf aus, auch das Mittelschiff dem neuen, revolutionären Baustil anzupassen. Jack erhielt den Auftrag, die Bausteine dafür schon im Voraus zu behauen.
    Die Abtei vermietete ihnen ein kleines Haus im Dorf. In der ersten Nacht, die sie gemeinsam darin verbrachten, liebten er und Aliena sich nicht weniger als fünfmal – das Zusammenleben als Mann und Frau schien ihnen die natürlichste Sache der Welt. Nach einigen Tagen der Gemeinsamkeit hatte Jack das Gefühl, schon seit eh und je mit Aliena zusammenzuleben. Und niemand fragte sie, ob ihre Vereinigung von der Kirche gesegnet worden sei.
    Der Baumeister von Saint-Denis war – mit Abstand! – der beste, den Jack je kennengelernt hatte. Während sie den neuen Hochaltar vollendeten und sich auf den Umbau des Kirchenschiffs vorbereiteten, ließ Jack ihn nicht aus den Augen, verfolgte jede seiner Bewegungen, merkte sich jeden seiner

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