Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth
ihrem Vater vorspielen sollte. Sie sagte lediglich zu William: »Ich glaube, wir passen nicht zueinander«, und wirkte dabei ganz gefasst. Er, William, hielt das für jungmädchenhafte Bescheidenheit und fand es ganz entzückend. Er fände, sie passe ganz ausgezeichnet zu ihm, hatte er ihr versichert …
Kaum war er fort, da stürmte Aliena zu ihrem Vater und verkündete dem bestürzten Mann, dass sie um nichts in der Welt diesen William Hamleigh heiraten wolle. Niemand könne sie von diesem Entschluss abbringen, lieber gehe sie noch ins Kloster, und wenn sie sie in Ketten vor den Altar schleifen wollten, so käme doch das Ehegelübde nie über ihre Lippen … Dieses Luder, dachte William, dieses verdammte Luder! Dennoch verfolgte er Aliena nicht mit der gleichen Gehässigkeit wie seine Mutter. Nein, er wollte ihr nicht bei lebendigem Leib die Haut abziehen. Er wollte auf ihrem heißen Körper liegen und ihren Mund küssen.
Am Ende des Dreikönigsgottesdienstes wurde der Tod des Bischofs offiziell bekannt gegeben. Hoffentlich lenkt das die Leute von dieser verfluchten Verlobungsgeschichte ab, dachte William. Die Mönche verließen in geschlossener Prozession die Kirche, die erfüllt war vom aufgeregten Stimmengewirr der Gläubigen, welche sich nun ebenfalls auf den Weg machten. Viele von ihnen waren dem alten Bischof nicht nur spirituell, sondern auch materiell verbunden – als Pächter oder als Beschäftigte auf seinen Gütern –, und alle waren brennend an der Frage interessiert, wer ihm wohl im Amte nachfolgen würde und mit welchen Änderungen man unter dem neuen Bischof rechnen musste. Der Tod eines hohen Herrn barg stets Gefahren für die von ihm Beherrschten.
Als William seinen Eltern auf ihrem Weg durch das Kirchenschiff folgte, sah er zu seiner Überraschung den Erzdiakon auf sie zukommen. Mit geschmeidigen Bewegungen, wie ein schwarzer Hund auf einer Kuhweide, bahnte er sich seinen Weg durch die Menge, und die Leute wichen eilfertig zur Seite. Waleran würdigte die Bauern keines Blickes, wechselte aber ein paar Worte mit jedem einzelnen der ihm begegnenden Landadeligen. Als er die Hamleighs erreichte, begrüßte er Williams Vater, ignorierte den Sohn und wandte sich an die Mutter: »Eine Schande, diese Sache mit der Ehe, nicht wahr?«
William errötete. Glaubte dieser Narr vielleicht, seine Beileidsbekundungen seien ein Gebot der Höflichkeit ?
Mutter war an einem Gespräch über dieses Thema genauso wenig gelegen wie William. »Ich bin nicht nachtragend«, log sie.
Waleran ging nicht auf ihre Bemerkung ein. »Mir ist da etwas zu Ohren gekommen, was Euch vielleicht interessieren wird«, sagte er und senkte die Stimme, damit kein Unberufener ihn verstehen konnte. Selbst William musste sich anstrengen, um mitzubekommen, worum es ging. »Wie es scheint, ist Graf Bartholomäus nicht bereit, von seinem Treueid auf den verstorbenen König Abstand zu nehmen.«
»Bartholomäus war schon immer halsstarrig und ein Heuchler obendrein«, sagte der alte Hamleigh.
Waleran rang sich ein schmerzliches Lächeln ab. Er wollte, dass sie ihm zuhörten. Auf ihre Kommentare konnte er verzichten.
»Bartholomäus und Graf Robert von Gloucester akzeptieren Stephan nicht als Thronfolger – und Stephan ist, wie Ihr wisst, die Wahl der Kirche und der Barone.«
Was soll das, fragte sich William. Wieso belämmert uns ein Erzdiakon mit einer der üblichen Streitereien unter den Baronen? Auch sein Vater wusste mit der Bemerkung nichts anzufangen, denn er erwiderte: »Na und? Was können die Grafen schon dagegen tun?«
»Hör jetzt endlich zu!«, zischte Mutter ihn an. Sie teilte Walerans Abneigung gegen die Einwürfe ihres Mannes.
»Wie ich höre, planen die beiden einen Aufstand gegen Stephan. Sie wollen an seiner statt Mathilde auf den Thron setzen.«
William glaubte im ersten Augenblick, sich verhört zu haben. War das möglich? Eine derart törichte Bemerkung aus dem Mund des Erzdiakons, und das hier, mitten in der Kathedrale von Kingsbridge? Ob es nun stimmte oder nicht – dafür konnte man gehängt werden!
Auch Vater Hamleigh war bestürzt. Ganz anders dagegen seine Frau. Nachdenklich sagte sie: »Robert von Gloucester ist Mathildes Halbbruder … Das gibt durchaus einen Sinn.«
»Jeder, der Graf Bartholomäus erledigt«, fuhr Waleran fort, »und damit die Rebellion im Keim erstickt, kann sich der ewigen Dankbarkeit König Stephans und der Heiligen Mutter Kirche gewiss sein.«
»Wirklich?«, fragte Vater
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