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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Erzdiakon die Bedeutung der Liturgie zu unterschätzen. Die Macht und der Reichtum der Kirche waren schließlich nur ein Mittel zum Zweck: Das eigentliche Ziel war die Rettung der Seelen. Ich sollte mir über Waleran nicht den Kopf zerbrechen, dachte Philip. Geschehen ist geschehen – und wahrscheinlich dämpft der Bischof Walerans Ehrgeiz schon allein dadurch, dass er noch zwanzig Jahre am Leben bleibt!
    Die Gemeinde war unruhig. Eine aktive Beteiligung am Gottesdienst wurde nur von Priestern und Mönchen erwartet; die Gläubigen waren nur mit einigen wenigen bekannten Gebeten vertraut und stimmten ansonsten nur beim Amen ein. Manche verfolgten den Ablauf der Messe in ehrfürchtigem Schweigen, andere aber liefen von einem zum anderen, begrüßten einander und unterhielten sich. Es sind einfache Leute, dachte Philip bei sich. Man muss ihnen etwas bieten, wenn man ihre Aufmerksamkeit wachhalten will.
    Der Gottesdienst näherte sich seinem Ende. Erzdiakon Waleran sprach zu den Versammelten: »Die meisten von euch werden wissen, dass unser geliebter Prior von Kingsbridge von uns gegangen ist. Sein Leichnam ist hier in der Kirche aufgebahrt und wird heute Mittag nach dem Essen auf dem Klosterfriedhof zur letzten Ruhe gebettet. Der Bischof und die Mönche von Kingsbridge haben Bruder Philip von Gwynedd, der uns heute Morgen in die Kirche führte, zu seinem Nachfolger gewählt.«
    Waleran hielt inne, und Philip erhob sich, um die Prozession wieder hinauszugeleiten. Da ließ sich Waleran erneut vernehmen: »Ich habe eine weitere traurige Nachricht bekannt zu geben.«
    Völlig überrascht setzte sich Philip wieder.
    »Ich erhielt soeben eine Botschaft«, sagte Waleran.
    Das stimmt nicht, dachte Philip. Wir waren den ganzen Morgen zusammen. Was hatte dieser durchtriebene Erzdiakon denn nun schon wieder vor?
    »Die Botschaft wird uns alle in tiefe Trauer stürzen.« Wieder machte er eine Kunstpause.
    Irgendjemand war gestorben – bloß wer? Waleran musste es schon bei seiner Ankunft gewusst haben, doch hatte er kein Wort darüber verloren. Warum?
    Philip fiel nur eine einzige Antwort ein – und wenn sich dieser Verdacht bewahrheitete, dann war Waleran weit ehrgeiziger und skrupelloser, als Philip es sich je hätte träumen lassen. Hatte er sie wirklich alle getäuscht und manipuliert? War er, Philip, nichts als ein Spielstein auf Walerans Brett gewesen?
    Walerans abschließende Worte bestätigten die schlimmsten Befürchtungen. »Liebe Gemeinde«, sagte er feierlich, »der Bischof von Kingsbridge ist tot.«

Kapitel III
    »Das Luder wird auch da sein«, sagte Williams Mutter. »Ich bin mir ganz sicher.«
    Mit einer Mischung aus Beklemmung und Sehnsucht musterte William die drohend vor ihnen aufragende Fassade der Kathedrale von Kingsbridge. Wenn Lady Aliena auch an der Dreikönigsmesse teilnimmt, dachte er, wird das für uns alle furchtbar peinlich. Dennoch beschleunigte der Gedanke, er könne sie vielleicht wiedersehen, seinen Herzschlag.
    Im Trab näherten sie sich Kingsbridge: William und sein Vater auf Schlachtrössern, seine Mutter auf einem feinen Rennpferd. Drei Ritter und drei Bedienstete folgten ihnen. Sie bildeten einen eindrucksvollen, ja – zu Williams heimlichem Vergnügen – einen geradezu furchterregenden Trupp; die Bauern, die zu Fuß nach Kingsbridge unterwegs waren, stoben erschrocken auseinander, wenn hinter ihnen der Hufschlag der stattlichen Rösser erklang.
    Williams Mutter schäumte vor Wut. »Sie alle wissen Bescheid«, fauchte sie mit zusammengebissenen Zähnen, »selbst diese elenden Leibeigenen. Sie machen sich über uns lustig. ›Wann ist eine Braut keine Braut?‹, fragen sie und antworten: ›Wenn der Bräutigam Will Hamleigh heißt.‹ Ich habe einen Kerl deswegen auspeitschen lassen, aber nicht einmal das half. Wenn dieses Luder mir in die Hände fällt, zieh ich ihr bei lebendigem Leib die Haut ab, hänge sie an einen Nagel und lass die Raben ihr bloßes Fleisch zerhacken!« Hoffentlich hört sie bald auf damit, dachte William. Die Familie war gedemütigt worden, und schuld daran war er – jedenfalls behauptete das seine Mutter. Er wollte nicht dauernd daran erinnert werden.
    Die alte Holzbrücke über dem Fluss dröhnte unter den Huftritten. Auf dem Gräberfeld nördlich der Kirche taten sich bereits zwanzig oder dreißig Pferde am spärlichen Gras gütlich, doch keines darunter konnte es mit den Tieren der Hamleighs aufnehmen.
    Sie ritten vor bis zum Stall und überließen die

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