Die Säulen der Schöpfung - 13
fragt Ihr?«
Der Captain blickte kopfschüttelnd in die Ferne. »Ich weiß nicht recht. Viele Jahre lang habe ich das Messer getragen, so wie Ihr dies jetzt offenbar auch vorhabt, und Orte aufgesucht, wo man es nicht tragen kann, weil man damit seine wahre Identität preisgäbe. Ich muß Euch nicht erklären, daß man durch dieses Leben in ständiger Gefahr ein gewisses Gespür für Menschen bekommt. Dieser junge Mann mit den weißen Haaren hat etwas an sich, bei dem sich mir die Nackenhaare sträuben.«
Jennsen wußte nichts darauf zu erwidern. Der Captain war doppelt so kräftig gebaut wie Sebastian, seine äußere Erscheinung konnte es also kaum sein, die dem Mann so sehr zu schaffen machte. Vielleicht spürte der Captain, wie überaus gefährlich Sebastian im Umgang mit Waffen war. Die Augen des Captains hatten ihre Spielerei mit dem Messer sehr aufmerksam verfolgt.
Vielleicht erkannte der Captain auch anhand verschiedener kleiner Details, daß Sebastian kein D’Haraner war. Das könnte unangenehm werden, aber Jennsen hatte sich für alle Fälle eine Erklärung zurechtgelegt.
»Ist Tom noch immer so ein Schwerenöter?«, fragte er.
»Ach, Ihr kennt doch Tom. Er verkauft jetzt Wein, zusammen mit seinen beiden Brüdern Joe und Clayton.«
Der Captain sah sie ungläubig an. »Tom – zusammen mit seinen Brüdern? Und er verkauft Wein?« Er schüttelte den Kopf, während sein Grinsen immer breiter wurde. »Ich wußte zu gern, was er wirklich im Schilde führt.«
Jennsen zuckte mit den Achseln. »Nun, jedenfalls verkauft er das im Augenblick. Die drei ziehen durch die Gegend, kaufen Waren ein und transportieren sie hierher, um sie wieder zu verkaufen.«
Als er das hörte, gab er ihr lachend einen Klaps auf die Schulter. »Das klingt, als wollte er, daß man es überall herumerzählt. Kein Wunder, daß er Euch vertraut.«
Mittlerweile war Jennsen vollends verwirrt; um nicht aufzufliegen, wollte sie auf jeden Fall verhindern, länger in eine riskante Plauderei über Tom verwickelt zu werden. Im Grunde wußte sie kaum etwas über ihn, dieser Mann hier jedoch augenscheinlich schon.
»Ich denke, ich sollte mir jetzt den Burschen mal ansehen, den Ihr hier bei Euch habt. Wenn es tatsächlich Sebastian ist, werde ich ihm Beine machen müssen, damit er sich endlich an die Arbeit begibt.«
»Richtig«, bestätigte Captain Lerner mit einem entschlossenen Nicken. »Wenn er tatsächlich Euer Mann ist, erfahre ich wenigstens endlich seinen Namen.« Er drehte sich zur eisenbeschlagenen Tür herum und wühlte in seiner Tasche nach dem Schlüssel. »Wenn er es ist, kann er von Glück reden, daß Ihr ihn holen gekommen seid, bevor eine von diesen rot gekleideten Frauen auftaucht, um ihn zu verhören. Denen würde er in kürzester Zeit sehr viel mehr als seinen Namen nennen. Er hätte sich selbst und Euch eine Menge Ärger ersparen können, wenn er uns gleich zu Beginn gesagt hätte, was es mit ihm auf sich hat.«
Jennsen wurde fast schwindlig vor Erleichterung, daß Sebastian nicht von einer Mord-Sith gefoltert worden war. »Wenn man im Auftrag des Lord Rahl unterwegs ist, hält man sich bedeckt«, antwortete sie. »Sebastian weiß, zu welchen Opfern man für unsere Arbeit bereit sein muß.«
Der Captain gab ein zustimmendes Brummen von sich, während er den Schlüssel herumdrehte. Der Riegel löste sich mit einem hallenden, metallischen Schnappen. »Für diesen Lord Rahl würde ich ebenfalls meinen Mund halten – selbst wenn eine Mord-Sith mir Fragen stellt. Aber offenbar kennt Ihr Lord Rahl besser als ich, daher brauche ich Euch das wohl nicht zu erzählen.«
Jennsen verstand keineswegs, was er meinte, fragte aber auch nicht weiter nach. Als der Captain an der Tür zog, gab sie ganz allmählich nach, und man sah einen langen, von wenigen über die gesamte Länge verteilten Kerzen beleuchteten Gang. Zu beiden Seiten waren Türen mit kleinen vergitterten Öffnungen darin. Als sie daran vorübergingen, wurden ihnen aus etlichen dieser Öffnungen Arme entgegengestreckt. Aus dem Dunkel dahinter drang das Gebrüll von Stimmen, die sie mit abscheulichen Flüchen und Verwünschungen überhäuften. An den greifenden Händen und den zahllosen Stimmen erkannte sie, daß in jeder Zelle mehr als nur ein paar Gefangene untergebracht waren.
Jennsen folgte dem Captain immer tiefer in das Festungsgefängnis. Sie war schockiert über die schlüpfrigen, vulgären Bemerkungen und auch über das johlende Gelächter der Gefangenen, ließ
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