Die Säulen der Schöpfung - 13
sich ihre Beklommenheit und Angst aber nicht anmerken und setzte eine gleichgültige Miene auf.
Captain Lerner hielt sich in der Mitte des Ganges und schlug gelegentlich eine nach ihm greifende Hand weg. »Nehmt Euch in acht«, warnte er sie.
Jennsen wollte gerade nach dem Grund fragen, als jemand mit etwas Nassem, Glitschigem nach ihr warf. Das Zeug verfehlte sie und klatschte an die gegenüberliegende Wand. Zu ihrem Entsetzen sah sie, daß es Exkremente waren. Mehrere andere Männer folgten diesem Beispiel, und Jennsen mußte sich ducken, um nicht getroffen zu werden. Unvermittelt trat der Captain gegen eine Zellentür; das Scheppern des Fußtritts hallte den Gang auf und ab, eine Warnung, die die Männer bewog, sich in den Hintergrund ihrer Zellen zurückzuziehen. Erst als der wütend dreinblickende Captain überzeugt war daß alle seine Botschaft verstanden hatten, setzte er seinen Weg fort.
Jennsen konnte sich nicht enthalten, ihn mit leiser Stimme zu fragen, »Was wirft man all diesen Männern eigentlich vor?«
Der Captain warf einen Blick über die Schulter. »Alles Mögliche, Mord, Vergewaltigung und Ähnliches mehr. Einige von ihnen sind Spione, die Sorte Kerle, hinter denen ihr her seid.«
Der Gestank war so entsetzlich, daß sie sich fast übergeben hätte. Der blanke Haß der Gefängnisinsassen mochte ja noch verständlich sein, überlegte sie. aber so viel Mitgefühl sie auch für die Gefangenen der Soldaten des Lord Rahl aufbrachte, für Männer, die gegen seine brutale Herrschaft aufbegehrten – ihr Verhalten ließ jeden Vorwurf der Verdorbenheit berechtigt erscheinen. Jennsen blieb Captain Lerner dicht auf den Fersen, als dieser in einen Seitengang einbog.
Er entnahm einer in den Fels geschlagenen Nische eine Laterne und zündete sie an einer in der Nähe befestigten Kerze an. Der Schein der Laterne war gerade hell genug, um ein wenig Licht in diesen Alptraum zu werfen und alles noch erschreckender wirken zu lassen.
Schließlich mußte eine weitere Verbindungstür aufgeschlossen werden, hinter der sie in einen niedrigen Gang gelangten, dessen Türen in sehr viel dichteren Abständen aufeinander folgten. Sie vermutete, daß dies die Einzelzellen waren. Am Ende angekommen, entriegelte Captain Lerner eine weitere Verbindungstür, und sie gelangten in einen noch schmaleren Gang, der kaum breiter war als seine Schultern. Der Captain blieb stehen und hielt die Laterne hoch, um durch das winzige Loch in der Tür rechter Hand zu sehen. Zufrieden mit dem, was er sah, drückte er ihr die Laterne in die Hand und entriegelte die Tür.
»In diesem Teil hier sind ganz besondere Gefangene untergebracht«, sagte er zur Erläuterung.
Er mußte mit beiden Händen zupacken und sein ganzes Körpergewicht einsetzen, um die Tür aufzuziehen, die sich daraufhin mit protestierendem Kreischen in Bewegung setzte. Drinnen erkannte Jennsen zu ihrer Überraschung, daß es sich nur um einen kleinen, leeren Vorraum mit einer zweiten Tür am anderen Ende handelte. Die Zellen waren mit einer Doppeltür versehen, um eine Flucht noch unwahrscheinlicher zu machen. Nachdem er auch die zweite Tür entriegelt hatte, nahm er die Laterne wieder an sich.
Der Captain duckte sich durch den engen Durchgang; dabei schob er das Licht voran, so daß sein massiger, den Türrahmen ausfüllender Körper sie für einen Moment in völliger Dunkelheit zurückließ. Sobald er hindurch war, reichte er ihr eine stützende Hand, damit sie nicht über die hohe Schwelle stolperte. Jennsen ergriff die Hand des hünenhaften Mannes und trat in die Zelle. Sie war geräumiger als erwartet und schien aus dem massiven Muttergestein des Plateaus gehauen worden zu sein.
Sebastian saß auf einer in den Stein gehauenen Bank auf der gegenüberliegenden Seite. Er hatte sie vom Augenblick ihres Eintretens an mit seinen blauen Augen verfolgt, Augen, denen sie anzusehen glaubte, wie sehr er sich danach sehnte, diesen Ort verlassen zu können. Nichtsdestoweniger ließ er sich keinerlei Regung anmerken und schwieg. Dem äußeren Anschein nach wäre kein Mensch darauf gekommen, daß die beiden einander kannten.
Er hatte seinen Umhang säuberlich zusammengefaltet und benutzte ihn auf dem kalten Stein als Kopfkissen. Ganz in der Nähe stand ein Wassergefäß. Seine Kleidung war ordentlich; nichts an ihm deutete darauf hin, daß er mißhandelt worden wäre.
Es tat so gut, sein Gesicht wiederzusehen, seine Augen, sein weißes Stoppelhaar. Er benetzte sich die Lippen,
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