Die Säulen der Schöpfung - 13
verschwinden.«
Sie drehte ihren Kopf zur Seite und betrachtete ihre auf dem Boden liegende Mutter. »Wir müssen etwas tun. Bitte, wir müssen doch etwas tun.«
»Ja, das werden wir auch. Hört mir zu. Eure Mutter hatte Recht. Wir müssen augenblicklich von hier fort.«
Er wandte sich dem Rucksack zu, der neben der Lampe auf dem Tisch lag. Jennsen aber schleppte sich hinüber zu ihrer – wie sie immer noch meinte – schlafenden Mutter. Sie durfte nicht sterben, auf keinen Fall. Jennsen liebte sie viel zu sehr.
»Jennsen! Trauern könnt Ihr später! Wir müssen von hier verschwinden!«
Draußen goß es noch immer es in Strömen.
»Ich werde sie nicht zurücklassen!«
»Eure Mutter hat sich für Euch geopfert – damit Ihr weiterleben könnt. Laßt ihre letzte mutige Tat nicht vergeblich gewesen sein.«
Er war damit beschäftigt, alles, was ihm in die Finger kam, in den Rucksack zu stopfen. »Ihr müßt tun, was sie gesagt hat.«
Sie starrte auf die Tür. Sie war doch eben noch zu gewesen!
Ein hünenhafter Schatten schälte sich aus dem Regen und schob sich durch die Türöffnung ins Haus.
Die Augen des stämmigen Mannes hefteten sich auf sie, und sogleich ging eine Woge ungezügelter Angst durch ihren Körper. Er kam auf sie zu, immer schneller.
Jennsen sah das Messer mit dem verzierten »R« seitlich aus dem Hals eines Toten hervorragen, das Messer, das ihre Mutter ihr mitzunehmen aufgetragen hatte. Es war nicht weit…
Der Mann, der Sebastian offenbar gar nicht bemerkte, warf sich auf Jennsen, als sie sich auf das Messer stürzte. Ihre Finger bekamen das Heft zu fassen, das ziselierte Metall bot einen guten Halt. Mit zusammengebissenen Zähnen riß sie die Klinge heraus und wälzte sich herum.
Bevor der Mann sie erreichte, streckte Sebastian ihn mit seiner Axt nieder. Der Soldat schlug krachend neben ihr auf den Boden, wobei sein muskulöser Arm über ihre Hüfte fiel.
Mit einem Aufschrei wand Jennsen sich unter dem Arm hervor; Sebastian half ihr auf.
»Sucht zusammen, was Ihr mitnehmen wollt«, kommandierte er. Wie im Traum bewegte sie sich vorwärts.
Die Stimme in ihrem Kopf redete in ihrer merkwürdig fremden Sprache leise auf sie ein. Sie ertappte sich dabei, wie sie beim Zuhören beinahe so etwas wie Trost empfand.
Tu vash misht. Tu vask misht. Grushdeva du kalt misht.
Jennsen war unfähig zu denken und wußte nicht, was sie tun sollte. Sie verbannte die Stimme aus ihrem Kopf und erteilte sich selbst den Befehl zu tun, was ihre Mutter ihr aufgetragen hatte.
Dann trat sie zum Schrank und ging daran, rasch ein paar Dinge zusammenzusuchen, die sie immer mitnahm, wenn sie weiterziehen mußten – Dinge, die stets bereit lagen. Sie warf auch ein paar Kräuter, Gewürze und getrocknete Lebensmittel in ihren Rucksack. Einer einfachen Truhe aus geflochtenen Zweigen entnahm sie einige weitere Kleidungsstücke, eine Bürste sowie einen kleinen Spiegel.
Sie ließ den Blick durch den Raum schweifen. Vier tote D’Haraner, dazu der eine von heute Morgen, machte insgesamt fünf. Ein Quadron, plus ein zusätzlicher Soldat. Wo mochten sich die anderen drei befinden? Draußen vor der Tür, im Dunkeln? Unter den Bäumen? Lauerten sie im finsteren Wald und warteten nur darauf, sie zu Lord Rahl zu schleppen, damit man sie zu Tode folterte?
Sebastian hielt ihre Handgelenke mit beiden Händen fest. »Jennsen, was tut Ihr da?«
Erst jetzt bemerkte sie, daß sie mit ihrem Messer ins Leere stach.
Teilnahmslos sah sie zu, wie er ihr das Messer aus der geschlossenen Hand hebelte und in die Scheide zurücksteckte. Diese schob er ihr in den Gürtel, dann nahm er ihren Umhang vom Boden auf.
»Beeilt Euch, Jennsen.«
Sebastian filzte die Taschen der Toten, nahm das Geld, das er fand, heraus und stopfte es in seine Taschen. Dann schob er die vier Messer der getöteten Soldaten seitlich in den Rucksack und schnauzte Jennsen erneut an, sich zu beeilen. Während er sich von einem der Toten das seiner Meinung nach beste Schwert aussuchte, ging Jennsen zum Tisch, griff sich einige Kerzen und stopfte sie in ihren Rucksack; sie registrierte kaum, was sie mitnahm, griff einfach, was sie sah, und packte es ein.
Sebastian nahm ihren Rucksack auf, ergriff eines ihrer Handgelenke und schob es durch den Tragegurt, als hätte er es mit einer Puppe zu tun. Dann hielt er ihr den zweiten Gurt hin, schob ihren anderen Arm hindurch und warf ihr den wollenen Umhang über die Schultern; nachdem er ihr die Kapuze über den Kopf
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