Die Säulen der Schöpfung - 13
sich schon seit geraumer Zeit nicht mehr blicken lassen.
Oba stapfte über den schwarzen, gefrorenen Boden in der Scheune und blieb, die Hände in den Taschen, vor ihr stehen. Sie versetzte ihm mit einem dicken Knüppel einen deftigen Schlag seitlich gegen die Schulter. »Oba.« Er zuckte zusammen, als sie ihn noch drei weitere Male schlug und mit jedem deftigen Hieb seinen Namen betonte, »Oba. Oba. Oba.«
In jungen Jahren wäre er nach einer solchen Tracht Prügel grün und blau gewesen. Inzwischen war er jedoch zu groß und kräftig, als daß sie ihm mit ihrem Knüppel noch hätte weh tun können, was ihre Wut aber nur noch größer machte.
Der Knüppel konnte ihn zwar jetzt, da er erwachsen war, nicht mehr groß aus der Ruhe bringen, doch der tadelnde Unterton in ihrer Stimme, sobald sein Name über ihre Lippen kam, klang ihm noch immer heiß in den Ohren. Sie erinnerte ihn an eine Spinne mit ihrem boshaften, kleinen Mund – an eine schwarze Witwe.
Er duckte sich, um nicht ganz so groß zu wirken. »Was gibt’s denn, Mama?«
»Wo treibst du dich eigentlich rum, wenn deine Mutter nach dir ruft?« Sie verzog das Gesicht, eine zu Dörrobst gewordene Pflaume. »Oba, der Ochse. Oba, der Blödmann. Oba. der Trottel. Wo hast du gesteckt?«
Als sie ihm abermals einen Knüppelhieb versetzte, hob er schützend den Arm. »Ich war gerade dabei, die Eier einzusammeln. Mama. Drüben im Hühnerstall.«
»Sieh dir bloß mal diese Schweinerei hier an. Kommst du eigentlich nie auf die Idee, mal irgendwas selbstständig zu tun, ohne daß dir jemand mit Grips sagt, was?«
Oba sah sich um, vermochte aber – außer den üblichen Arbeiten – nichts zu erkennen, was hatte getan werden müssen, damit sie nicht so außer sich geriet. Irgendwas gab es immer zu tun. Ratten steckten ihre Schnauzen unter den Brettern der Stallboxen hervor; ihre Barthaare zuckten, wenn sie schnuppernd aus ihren schwarzen Knopfaugen herübersahen und wachsam ihre kleinen Rattenohren spitzten.
Er schaute seine Mutter wieder an, wußte aber keine Antwort darauf.
Sie zeigte auf den Boden. »Sieh dir das an! Kommst du eigentlich nie auf die Idee, mal den Mist rauszuschaufeln? Es braucht bloß zu tauen, und schon sickert der ganze Dreck unter der Mauer hindurch ins Haus, wo ich schlafe. Glaubst du etwa, ich füttere dich aus reiner Nächstenliebe durch? Glaubst du vielleicht, du brauchst dir deinen Unterhalt nicht zu verdienen, du nichtsnutziger Trottel? Oba, der Trottel.«
Das letzte Schimpfwort hatte sie schon einmal benutzt. Ihr beschränkter Einfallsreichtum, daß sie nie etwas Neues hinzulernte, konnte Oba gelegentlich noch überraschen. Als er klein war, hatte er sich eingebildet, sie sei eine Gedankenleserin, die über undurchschaubare Fähigkeiten sowie über eine überaus fähige spitze Zunge verfügte, mit der sie wissende Bemerkungen zu machen verstand, die ihn bis ins Innerste trafen. Mittlerweile aber fragte er sich manchmal, ob seine Mutter auch in anderer Hinsicht weniger mächtig war, als er stets befürchtet hatte, ob ihre Macht über ihn nicht irgendwie … vorgetäuscht war. Eine Chimäre. Eine Vogelscheuche mit einem boshaften, kleinen Mund.
Und doch hatte sie noch immer diese Art an sich, ihn im Handumdrehen zusammenzustauchen. Abgesehen davon war sie seine Mutter, und seine Mutter soll man achten – das war das Wichtigste überhaupt! Diese Lektion hatte sie ihm nachhaltig eingebläut.
Oba fand nicht, daß er noch viel mehr tun konnte, um seinen Unterhalt zu verdienen, denn er schuftete von morgens früh bis abends spät. Und er bildete sich etwas darauf ein. nicht faul zu sein. Oba war ein Mann der Tat, er war kräftig und arbeitete locker für zwei. Seines Wissens gab es keinen Mann, der es in diesem Punkt mit ihm hätte aufnehmen können, überhaupt hatte er mit Männern keine Probleme. Bei Frauen dagegen war er wie gelähmt, wußte nie, wie er sich in ihrer Gegenwart verhalten sollte. Trotz seiner körperlichen Größe verstanden sich Frauen darauf, ihm das Gefühl zu geben, klein und unbedeutend zu sein.
Er kratzte mit dem Stiefel über die dunkle Erhebung auf dem Boden, um die steinharte Masse zu prüfen. Die Tiere fügten ständig etwas hinzu, und ein großer Teil davon gefror, bevor alles nach draußen geschaufelt werden konnte.
»Aber Mama. der Boden ist hart gefroren.«
Früher hatte er diese Arbeit immer erledigt, sobald es zu tauen begann. Im Frühjahr, wenn es wärmer wurde und die Fliegen die Scheune mit ihrem
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