Die Säulen der Schöpfung - 13
steuerte auf den vor dem Haus bergab führenden Pfad zu – den Weg, auf dem er hergekommen war.
Jennsen packte ihn beim Arm, so daß er gezwungen war. stehen zu bleiben. »Dort unten warten sie vielleicht schon auf uns.«
»Aber wir müssen von hier verschwinden.«
»Ich kenne einen besseren Weg. Wir haben einen Fluchtweg angelegt.«
Einen kurzen Augenblick lang starrte er sie im strömenden, eiskalten Regen an. dann folgte er ihr ohne ein weiteres Wort ins Unbekannte.
7. Kapitel
Oba Schalk packte das Huhn im Genick und hob es aus dem Nistkasten. In seiner fleischigen Hand wirkte der Kopf des Tieres winzig. Mit der anderen Hand fischte er ein noch warmes, braunes Ei aus der Mulde im Stroh und legte es vorsichtig zu den anderen in den Korb.
Oba setzte das Huhn jedoch anschließend nicht wieder zurück, sondern hielt es näher vor sein Gesicht und beobachtete, wie es den Kopf von einer Seite zur anderen drehte, den Schnabel öffnete und schloß, immer wieder. Er führte seine Lippen ganz nah heran, bis sie den Schnabel berührten, dann blies er, so fest er konnte, in den geöffneten Schlund des Huhns.
Das Huhn kreischte und versuchte, sich aus dem schraubstockartigen Griff zu befreien, wobei es wie von Sinnen mit den Flügeln schlug. Aus Obas Kehle drang ein tiefes Lachen.
»Oba! Wo steckst du, Oba?«
Als er das Gezeter seiner Mutter hörte, ließ Oba das Huhn wieder in sein Nest zurückplumpsen. Die Stimme seiner Mutter war aus der nahen Scheune gekommen. Noch immer aufgeregt gackernd, floh das Huhn aus dem Hühnerstall; Oba folgte ihm durch den Hühnerhof, dann schlenderte er hinüber zum Scheunentor.
In der Vorwoche hatte es einen der im Winter seltenen anhaltenden Regenfälle gegeben, am Tag darauf war das stehende Wasser hart gefroren, und der Regen war in Schnee übergegangen. Das Eis lag jetzt unter dem vorn Wind verwehten Schnee verborgen, was einen überaus tückischen Untergrund ergab.
Für einen Menschen war es wichtig, nicht zuzulassen, daß er geistig und körperlich träge wurde. Oba war überzeugt, daß es wichtig war, stets Neues hinzuzulernen. Er war von der Wichtigkeit inneren Wachstums überzeugt und fand es unerläßlich, daß man das Gelernte auch anwendete. Auf diese Weise entwickelte man sich weiter.
Scheune und Wohnhaus waren in einem einzigen kleinen, aus Lehm und Flechtwerk errichteten Gebäude untergebracht – eine Konstruktion aus ineinander verflochtenen Zweigen, die mittels einer Mischung aus Lehm. Stroh und Dung zusammengehalten wurde. Im Innern wurde das Haus von einer steinernen Mauer unterteilt. Diese Innenwand hatte Oba nach Errichten des Hauses gebaut, indem er flache, graue Steine vom Feld übereinander schichtete, das hatte er einem Nachbarn abgeguckt, dem er beim Aufschichten von Steinen am Feldrain zugesehen hatte.
Als er seine Mutter abermals keifen hörte, versuchte er sich auszumalen, was er wieder einmal falsch gemacht haben konnte. In Gedanken ging er die Liste mit Arbeiten durch, die sie ihm aufgetragen hatte, konnte sich aber nicht erinnern, in der Scheune eine davon vernachlässigt zu haben. Oba war nicht vergeßlich, und im Übrigen handelte es sich um Arbeiten, die er öfters erledigte.
»Oba! Oba! Wie oft muß ich dich eigentlich noch rufen?«
Die Frau hatte eine Stimme, bei der sich selbst im stärksten Tau die Knoten lösten. Oba drehte sich zur Seite, um sich mit der Schulter voran durch die schmale Seitentür ins Innere der Scheune zu zwängen. Quiekende Ratten huschten aufgeschreckt über seine Füße. In der Scheune mit dem darüber liegenden Heuboden waren ihre Milchkuh, zwei Schweine und zwei Ochsen untergebracht. Die Kuh stand noch in der Scheune, die Schweine hatte man in dem kleinen Eichenwäldchen laufen lassen, wo sie unter dem Schnee nach Eicheln wühlen konnten. Durch das größere Scheunentor konnte Oba draußen auf dem Hofplatz die Hinterteile der beiden Ochsen sehen.
Seine Mutter stand, die Hände in den Hüften, auf einem kleinen Haufen gefrorenen Mists, sie war eine grobschlächtige, an Schultern und Hüften breite Frau. Eigentlich war sie überall breit, sogar an der Stirn. Er hatte Leute erzählen hören, sie sei in jungen Jahren eine schöne Frau gewesen, und tatsächlich, als er noch ein kleiner Junge gewesen war, hatte sie eine Reihe von Verehrern gehabt. Mit den Jahren jedoch war ihr Aussehen durch die tägliche Schufterei in Mitleidenschaft gezogen worden, und übrig geblieben waren tief eingegrabene Falten; Verehrer hatten
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