Die Säulen der Schöpfung - 13
waffenstrotzenden Gestalten beobachtet zu werden. Die schwarzgewandeten Männer mit ihren Packeseln waren Händler, keine Soldaten, und sie waren den Umgang mit Soldaten auch nicht gewöhnt. Sie hatten Angst um ihre Sicherheit und befürchteten, diese Krieger könnten sie auf ein falsches Wort hin hier draußen in der Wüste einfach abschlachten. Trotz ihrer krassen zahlenmäßigen Unterlegenheit schienen die Händler gleichzeitig aber nicht bereit, sich einschüchtern zu lassen, um keinen Präzedenzfall für den künftigen Umgang mit ihnen zu schaffen. In dem soeben stattfindenden Palaver versuchten sie offenbar abzuwägen, welches Verhalten sich günstiger auf ihre Sicherheit auswirken mochte.
Sebastian stieß sich von der Mauer ab. »Vielleicht hast du Recht. Ich werde hineingehen und allein mit ihnen sprechen – und zwar in ihrem Haus und nicht hier draußen, unter den Blicken der Armee.«
»Ich begleite dich«, sagte sie.
»Was mag bloß los sein? Was meint Ihr?«, Schwester Perdita war herbeigeeilt und wollte von Sebastian Näheres wissen.
Sebastian tat ihre Besorgnis mit einer wegwerfenden Handbewegung ab. »Ich glaube, sie wollen einfach handeln. Da sind sie in ihrem Element. Sie zu zwingen könnte sich für uns als nachteilig erweisen.«
»Ich werde zu ihnen gehen und dafür sorgen, daß sie es sich anders überlegen«, erwiderte die Schwester in unmißverständlich düsterer Absicht.
»Nein«, widersprach Sebastian. »Dies ist nicht der richtige Augenblick, um einen einfachen Vorgang unnötig zu komplizieren. Falls nötig, können wir den Druck auf sie jederzeit erhöhen. Laßt Jennsen und mich einfach vorher hinübergehen und mit ihnen sprechen.«
Jennsen ließ die düster dreinblickende Schwester Perdita stehen und blieb, Rusty hinter sich herziehend, dicht an Sebastians Seite. Die zweite Überraschung ihrer Reise, außer der eintausend Mann starken Eskorte, war Schwester Perditas Entschluß gewesen, sie zu begleiten. Begründet hatte sie ihn damit, daß Jennsen zusätzliche Hilfe benötigen könnte, um bis zu Lord Rahl vorzudringen.
Jene Nacht im Wald mit Schwester Perdita und den sieben anderen Schwestern hatte alles verändert. Jennsen hatte sich auf einen Handel eingelassen, demzufolge ein selbstbestimmtes Leben nach Richard Rahls Ermordung für sie nicht mehr in Frage kam, dessen war sie sich bewußt, aber wenigstens würden alle anderen Menschen wieder ihr eigenes Leben leben können, und die Welt wäre erlöst von ihrem Halbbruder und seiner Tyrannei.
Und sie würde ihre Rache bekommen. Das Wissen, daß ihrem Mörder endlich Gerechtigkeit widerfahren war, würde ihrer Mutter, der man sogar eine anständige Beerdigung versagt hatte, endlich ihren Frieden geben.
Jennsen und Sebastian führten Rusty und Pete auf eine kleine Nebenkoppel, wo bereits das Pferd der Schwester wartete. Die beiden Tiere waren dankbar für den Schatten und den Wassertrog.
Nachdem sie das kleine, wackelige Koppelgatter geschlossen hatte, folgte Jennsen Sebastian in den Schatten vor dem Eingang des niedrigen, gedrungenen Gebäudes. Das Geschnatter der hallenden Männerstimmen im einzigen Raum verstummte. Sämtliche Männer waren in die traditionellen schwarzen Burnusse der nomadischen, diesen Teil der Welt bevölkernden Kaufleute gehüllt.
»Laßt uns jetzt allein«, sagte der Anführer, als er Sebastian und Jennsen eintreten sah, und komplimentierte seine Gefährten mit einer Handbewegung aus dem Raum.
Die Männer, deren Augen hinter Schlitzen im schwarzen Stoff hervorlugten, mit dem sie jetzt wieder Mund und Nase bedeckten, gingen nickend nach draußen. Die Fältchen um ihre entblößten Augen ließen vermuten, daß sie Jennsen unter ihrem Gesichtsschutz voller Sympathie zulächelten, aber ganz sicher war sie diesbezüglich nicht. In Anbetracht dessen, was auf dem Spiel stand, erwiderte sie ihr Lächeln.
Die stehende Luft im Raum trieb einem den Schweiß aus den Poren, aber wenigstens verschaffte ihnen der Schatten ein wenig Linderung. Der eine Mann, der im Raum zurückgeblieben war, hatte die losen Stoffbahnen nicht wieder vor sein Gesicht geschlungen und zeigte somit sein lächelndes, wettergegerbtes Gesicht.
»Bitte«, forderte er Jennsen auf, »tretet ein. Ihr seht aus, als wäre Euch hitzig zumute.«
»Hitzig?«, fragte sie.
»Heiß«, verbesserte er sich. »Ihr seid für diese Gegend nicht angemessen gekleidet.« Er schlurfte hinüber zu den Regalen aus großen Holzplanken an der Seite des Raumes und
Weitere Kostenlose Bücher