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Die Saga vom Eisvolk 02 - Hexenjagd

Die Saga vom Eisvolk 02 - Hexenjagd

Titel: Die Saga vom Eisvolk 02 - Hexenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Sandemo
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Trotzdem verstand sie ihn. Er, dessen Leben einst auf das Alleinsein eingerichtet gewesen war, hatte nun vier Menschen, die ihn brauchten, die zu ihm aufsahen und ihm die Liebe gaben, von der er früher nur geträumt hatte.
    Sie war so stolz auf sie alle - ihre kleine Familie. Tengel, der Gefürchtete und Ausgestoßene - nur sie wußte, was für ein unglaublich guter Mensch sich hinter seinem abschreckenden, dämonischen Äußeren verbarg. Und die Kinder… Ihr wurde warm ums Herz, wenn sie nur an sie dachte.
    Sol, das fröhliche, lebhafte Sorgenkind, über dem ein Damoklesschwert hing. Dag, der blonde, intelligente Träumer. Und die kleine Liv, die den beiden älteren Kindern alles nachahmte. Wie ähnlich sie mir geworden ist, dachte Silje verwundert. Dieselben nußbraunen, lockigen Haare - vielleicht etwas mehr kupferfarben als meine - dieselben scheuen Augen, dasselbe schnelle Lächeln. Und auch ihre Phantasie ist dieselbe wie meine.
    Überall gibt es Trolle, Schatten, Dinge, die ihr eigenes Leben haben, Bäume, mit denen man reden kann…
    Geliebtes Kind, wenn du nach mir schlägst, wirst du ein reiches Leben haben, aber du wirst auch viele harte Schläge erdulden müssen, gegen die du dich nicht wehren kannst, weil du so empfindsam bist.
    Sie wollte sich jetzt nicht umdrehen und die Kinder anschauen. Es tat ihr immer weh, zu sehen, wie ärmlich sie gekleidet waren. Sols Kleid war viel zu klein, Hose und Jacke von Dag waren aus einem von Siljes alten Kleidern genäht und verrieten, wie gräßlich ungeschickt sie als Schneiderin war. Für Livs Kleidchen aus dunklem Lodenstoff hatte sie eine alte Hose von Tengel aufgetrennt, es war ein absolut unförmiges Kleidungsstück geworden, über das die Nachbarinnen höhnisch gelacht hatten. Silje kroch auf der Bank in sich zusammen, als sie daran dachte.
    Sie hatten das Netz ausgesetzt und waren auf dem Weg zurück zum Ufer. Weil es ein milder Sommerabend war, hatten die Kinder mitkommen dürfen. Es machte ihnen einen Riesenspaß.
    Siljes Augen glitten über die Berge, die das Tal des Eisvolks von allen Seiten umringten. Jetzt lagen sie in das rotgoldene Licht der untergehenden Sonne getaucht.
    Ihr Blick verweilte an einer Kluft zwischen zwei Berggipfeln.
    »Weißt du, Tengel, ich habe oft gedacht, daß es doch eigentlich möglich sein müßte, die Berge zu überqueren.«
    Er ließ die Riemen sinken und folgte ihrem Blick. »In Gedanken, ja. Und einigen wenigen ist es gelungen, hinüber zu kommen. Aber es ist nicht ratsam. Man kommt auf der anderen Seite an einen Gletscher. Und danach ist es ungeheuer anstrengend, in freundlichere Gefilde hinabzusteigen.«
    »Du hast es also schon einmal gemacht?«
    »Vor langer Zeit einmal, ja. Und ich habe mir damals geschworen, daß ich es nie wieder tun werde.«
    Das Boot stieß ans Ufer, und alle Kinder probierten gleichzeitig, als erste hinauszuspringen.
    »Na, na!« sagte Tengel scharf. Mehr brauchte er nicht zu sagen. Er besaß eine unglaubliche Autorität über sie, eine Autorität voller Wärme und Liebe.
    Die Kinder beteten ihn an, das wußte Silje.
    Alle bekamen etwas in die Hand, das sie den Weg zum Haus hinauf tragen mußten. Die Kleinen hatten schon früh begriffen, daß jeder einzelne seinen Teil Verantwortung zu übernehmen hatte, wenn sie in dieser rauhen Einöde überleben wollten.
    Livs Beinchen ermüdeten schnell in dem Kampf gegen das flache Wacholdergestrüpp, deshalb hob Tengel sie auf seine Schultern. Sol und Dag gingen neben Silje, jeder an einer Seite.
    Sol war nachdenklich. Ihr aufgewecktes Gesicht, das von dunklen Locken eingerahmt wurde, war ausnahmsweise ernst.
    »Du, warum sage ich Silje zu dir, während Dag und Liv Mutter zu dir sagen?«
    Silje nahm ihre Hand. »Das ist eine lange Geschichte. Du hast schon immer Silje zu mir gesagt.«
    Beide Kinder sahen abwartend zu ihr hoch.
    Sol sagte mit großen, verständnislosen Augen: »Die anderen Kinder haben heute gesagt, daß Dag ein Wechselbalg ist, und ich auch. Was haben sie damit gemeint?«
    Silje wurde innerlich kalt. »Haben sie das? Dazu hatten sie kein Recht.« Sie blieb stehen. »Ich glaube, ihr seid groß genug, um die Geschichte jetzt zu hören«, entschied sie. »Du bist ja schon sieben, Sol, und Dag ist fast fünf.
    Liv wird es wohl noch nicht verstehen, sie ist ja erst drei.
    Tengel!« rief sie.
    Er blieb stehen. Sie waren jetzt auf ihrem Grundstück, auf der Wiese unten vor dem Haus.
    »Die Kinder sind als Wechselbälger beschimpft

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