Die Saga vom Eisvolk 07 - Das Spukschloß
Gut Alt-Askinge.« Tancred fühlte sich ganz schwach. »Alt-Askinge?« »Ja. Vor ungefähr hundert Jahren wurde ein neues gebaut. Das, in dem Holzensterns jetzt wohnen, nachdem es viele Jahre lang im Besitz der Familie Cross gewesen war. Aber das alte Schloß… eine Mittelalterburg …« »Ja?«
»Es ist völlig verwittert oder abgerissen worden. Jedenfalls ist es schon seit mehreren Jahrhunderten verschwunden. Nur die Sage berichtet noch davon.« Tancred fühlte, wie er um die Nase herum bleich wurde. Er fühlte sich elend - aus mehreren Gründen. »Was berichtet die Sage noch?«
Dieter hatte Probleme, die richtigen Worte zu finden. »Das Schloß war verhext, so wie du es vom Wald behauptet hast. Dort wohnte eine Hexe, darum hat man die Burg verlassen. Eine wirkliche, richtige Hexe im wahrsten Sinne des Wortes. Sie war sündhaft schön und hat die Männer nur so angezogen. Hat sie zu ihren Liebhabern gemacht und dann fallengelassen.« Tancred preßte seine Lippen zusammen. Sein Zwerchfell verkrampfte sich. So sagte er langsam: » Wie hieß sie? Die Hexe.«
Dieter runzelte mit den Augenbrauen. »Ich hab' den Namen mal gehört. War der nicht so ähnlich wie … ja, so ähnlich wie Messalina. Und sie soll genauso sinnlich und grausam gewesen sein wie die römische Kaiserin.« Tancred nickte. »Salina, ja. So hieß sie.« Es wurde ganz still im Wald.
»Dieter, nimm mich auf dem Pferd mit nach Hause. Mir ist nicht so gut.«
Ohne ein weiteres Wort zu wechseln stiegen sie auf das Pferd und ritten zum Gut von Ursula Horn.
Tancred stieg vom Pferd und dankte Dieter. »Hoffentlich treffe ich jetzt nicht meine Tante. Was soll ich nur sagen?«
»Es war ein Traum, Tancred, es muß einer gewesen sein«, sagte Dieter fast beschwörend.
Tancred biß sich auf die Lippen. »Ja, es war wohl einer.« Aber innerlich war er vom Gegenteil überzeugt.
Er schlich sich ins Haus und kam ungesehen in sein Zimmer. Dort riß er sich die taufeuchten Kleider vom Körper, spülte sich mit reichlich Wasser ab und fiel ins Bett. Aus lauter Angst, es könnte ihn um den Verstand bringen, wagte er nicht einmal nachzudenken. Irgendwann im Laufe des Vormittags hörte er draußen auf dem Hof eine schneidende Stimme:
»Grüßt meinen tief schlafenden Neffen von mir und sorgt gut für ihn!« Dann knirschten Wagenreifen, die sich rasch entfernten. Gott sei Dank, dachte Tancred schläfrig.
Dann brauche ich wenigstens nicht nach Askinge und dort mit den Holzensterns sitzen, um leeres Zeug zu reden, dachte er weiter.
Oder sollte ich vielleicht doch? Vielleicht könnte ich mehr über die Hexe Salina erfahren?
Ihm grauste bei dem Gedanken an sie. Nein, die sollte man am besten vergessen, Aber… Plötzlich war er hellwach.
Herrgott, wo hatte er nur seine Gedanken gehabt? Was hatte Dieter nur gesagt? Von dem neuen Askinge. Das jetzt im Besitz der Holzensterns war, nachdem die Familie Cross dort so viele Jahre gewohnt hatte. Jessica Cross…
Von dort war Jessica weggelaufen! Die Holzensterns hatte sich ihrer angenommen, nachdem ihre Eltern an den Pocken gestorben waren. Und wo Jessica war, war auch Molly. Seine kleine Molly.
Die Müdigkeit war wie weggeblasen. Er ging hinunter ins Speisezimmer und erhielt aus den Resten des gestrigen Festes eine solide Mahlzeit.
Dann ritt er wieder los. Im Stall hatte er nach dem Weg nach Askinge gefragt und hörte, daß auch das Gut am Waldrand lag, allerdings so weit weg, daß es vom Hof der Tante nicht zu sehen war.
Aber es gab noch etwas, was ihm auf seinem Ritt an diesem graukalten Frühlingstag bekümmerte.
Dieter hatte auf dem Fest nämlich noch etwas gesagt. ›Die versuchen, mich mit Stella zu verkuppeln. Aber ich habe andere Interessen. Wenn die das wüßten…‹ Wenn er jetzt in Jessica verliebt war? Oder… Oh, du meine Güte! In Tancreds Molly?
Molly, die er nach dem erschreckenden Abenteuer mit Salina für eine Weile fast vergessen hatte.
Bei dem Gedanken an Molly wurde ihm ganz warm. Er mußte sie finden und fragen, was eigentlich los war, warum sie immer wieder weglief.
Sie konnte sich doch nicht für den nichtssagenden Dieter interessieren? Wenn man sie absolut miteinander vergleichen wollte, so hatte Tancred doch mehr Vorteile aufzuweisen!
Er selbst bemerkte gar nicht, daß er schamlos unsachlich wurde, wie es oft geht, wenn man ganz simpel von Eifersucht geplagt wird.
Tancred Paladin glaubte wirklich, daß er über solche armseligen Impulse hoch erhaben war.
3. KAPITEL
Es war nicht
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