Die Saga vom Eisvolk 07 - Das Spukschloß
gedacht, ich sei ganz allein auf der Welt!« Spontan schlug er die Arme um seinen Verwandten, und beide begannen zu lachen.
»Und ich habe so wenig Zeit«, klagte Mikael. »Ich werde schon heute abend wieder nach Schweden verlegt.« »Nach Schweden? So, da lebst du also?«
»Ja. Ich bin meiner Pflegeschwester, Marca Christina, gefolgt, als sie den Sohn unseres Vormunds heiratete. Aber erzähl mit etwas von meiner Familie!« »Also, wir stammen aus Norwegen.«
»Das weiß ich. Marca Christina hat erzählt, dass dein Großvater zusammen mit einem jungen Paar auf Löwenstein zu Besuch war. Da war ich drei Jahre alt.«
»Das waren meine Eltern«, sagte Tancred ganz eifrig. »Wir leben in Dänemark.«
»Die Familie hat sich ziemlich zerstreut, wie ich sehe. Leben in Norwegen noch nahe Verwandte von mir?« »Ja, dein Großvater Are. Und dein Onkel Brand und sein Sohn, dein Vetter Andreas Lind vom Eisvolk. Mann, dein Großvater wird ganz überwältigt sein, wenn er von dir hört!«
Mikaels Augen bekamen einen wehmütigen Ausdruck. »Ich wollte, ich könnte ihn noch einmal sehen - bevor es zu spät ist.«
»Du mußt nach Norwegen reisen. Bald! Und hinterher kommst du zu uns.«
»So schnell ich kann. Aber die Verbindung zwischen unseren Ländern ist nicht grade die beste. Und ich werde jetzt weit weg geschickt. Zar Alexander will freien Weg zur Ostsee haben und bedroht die schwedischen Provinzen. Aber ich komme. Sowie der Frieden stabil ist und die Nachbarn wieder miteinander sprechen, komme ich.«
Jetzt sah Tancred auch, daß dieser junge Mann bedeutend jünger war als er selbst. Er konnte nicht mehr als zwanzig Jahre alt sein. Und die Ähnlichkeit zwischen ihnen war nicht so groß, wie er erst gemeint hatte. Mikael hatte geschwungene Augenbrauen, während seine gerade waren, und auch das Lächeln war nicht das gleiche. Aber sonst ähnelten sie einander ganz verblüffend. Sie wußten es nicht, aber sie sahen so aus, wie Tengel der Gute ausgesehen hätte - wenn nicht der Fluch des Eisvolkes ihm ein so groteskes und dämonisches Aussehen verliehen hätte.
Vom Feldlager, das außer ihrer Sichtweite lag, war ein Hornsignal zu hören.
»Der Transport geht jetzt gleich. Ich habe wenig Zeit«, sagte Mikael.
Ihr Gespräch wurde plötzlich ganz fieberhaft. »Du bist noch so jung - und schon Kornett?«
Mikael lachte. »Onkel Gabriel, Marca Christinas Mann, ist sehr mächtig.«
Sie waren so angespannt, daß sie sich nur über unwesentliche Dinge unterhielten, anstatt sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.
»Gabriel?« fragte Tancred überrascht. »Merkwürdig, daß der Name hier auftaucht. Unser Schloß heißt nämlich Gabrielshus, und meine Schwester heißt Gabriella.« »Wie lustig! Der Name kommt auch in Onkels Familie immer wieder vor. Seine Ururgroßmutter bekam zwölf Kinder, von denen keines das erste Lebensjahr überlebt. Da träumte sie von einem Engel, der zu ihr sagte, sie solle ihren nächsten Sohn Gabriel nennen. Das tat sie, und er blieb am Leben. Er war das einzige Kind, das sie behielt. Seitdem heißen so gut wie alle Gabriel. Aber ich stehe hier rum und vertue die ganze kostbare Zeit. Hast du meinen Vater gekannt?«
»Sehr wenig. Schade, daß du ausgerechnet mich getroffen hast, denn ich weiß vom Eisvolk am wenigsten. Aber dein Vater Tarjei soll ein ganz einmaliger Mensch gewesen sein - unwahrscheinlich begabt und eine große Persönlichkeit. Leider ist er durch den Fluch des Eisvolkes ums Leben gekommen. Mein Vetter. Wir tragen ein bitteres Erbe in uns, Mikael!«
»Darüber muß ich später noch mehr hören. Das Horn ruft schon wieder. Aber ich habe doch keine Zeit, ich muß noch mehr hören! Wo wohnt ihr?«
»Deine Familie wohnt auf Lindenallee, und mein Zweig der Sippe auf Grästensholm. Beides liegt im Kirchspiel Grästensholm in der Nähe von Christiania. Ich selber lebe auf Gabrielshus, nordwestlich von Kopenhagen.« Das Hornsignal war zum dritten Mal zu hören. Mikael nahm Tancreds Hand in seine. »Ich muß jetzt gehen. Aber ich komme nach Lindenallee! Grüße meinen Großvater von mir!«
»Aber wo wohnst du, Mikael?« rief Tancred, als ihm diese wichtige Frage plötzlich einfiel.
»Ich wohne nirgendwo. Seit zwei Jahren halte ich mich schon in den Feldlagern der schwedischen Besitzungen auf. Mein Onkel ist auch andauernd umgezogen, seitdem er die militärische und bürokratische Rangleiter immer weiter hochgestiegen ist. Lebwohl, Tancred, es war eine unvergeßliche Begegnung.«
»Leb
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