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Die Salzbaronin

Die Salzbaronin

Titel: Die Salzbaronin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Platz! Das Kind brauchte den Platz für sich allein. Vorsichtig, ganz vorsichtig, zog Elisabeth ihre Hand heraus. Den blutigen Schleim wischte sie achtlos an ihrem Rock ab.
    »Rosa! Wach auf!« Plötzlich verspürte Elisabeth eine nie gekannte Energie. Dies war endlich der Tag. Ihr Kind. Die Geburt. Sie rüttelte die Ohnmächtige an der Schulter, klopfte ihre Wangen. »Es ist soweit.«
    Rosa öffnete ihre Augen, schien aus einer anderen Welt zu kommen. Lebte sie überhaupt noch? Elisabeth spürte, wie ihr ein eisiger Schauer über den Rücken lief, der nichts mit den Schweißbächen zu tun hatte. »Wach jetzt sofort auf! Du musst mithelfen. Es ist soweit!« befahl sie Rosa mit fremder Stimme. Wenn es sein musste, würde sie die Heilerin wachprügeln. Das Kind. Ihr Kind.
    »Ich kann nicht …«, kam es schwach aus Rosas Mund. »Wo bist du? Hilf mir …« Und nur noch ein Flüstern: »Ge…g!«
    »Nein, es ist nicht genug!« schrie Elisabeth, packte Rosa unter den Achselhöhlen und zog sie mit ungeahnten Kräften nach oben, bis ihr Oberkörper halbwegs an der Hüttenwand lehnte. Sie zögerte kurz. Dann sprang sie zu dem Eimer, der noch kaltes Wasser enthielt. Mit dem nächstbesten Becher, den sie greifen konnte, schüttete sie Rosa einen Schwall kaltes Wasser ins Gesicht. Ihre Brust bebte.
    »Und jetzt bringst du das Kind auf die Welt!«

48
    Es war gegen neun Uhr abends, als Georgs Kutsche vor dem Herrenhaus hielt. Die Sonne hatte sich schon vor einer Stunde hinter den Hügel auf der anderen Seite des Kochers zurückgezogen, und es war mit dem letzten Rest Tageslicht, dass er den Kutscher bezahlte und seine Koffer aus dem Fach unter dem Personenabteil entgegennahm.
    Endlich zu Hause! Er konnte es nicht erwarten, alle wiederzusehen. Ein bisschen war ihm bange zumute, er hoffte, dass er nicht mit Vorwürfen überschüttet werden würde, kaum dass er einen Schritt durchs Portal machte. Er wusste selbst, dass er öfter hätte schreiben müssen, Öfter, ha! Aber er würde schon erklären können, warum er nicht dazu gekommen war. Und außerdem: Er hatte schließlich gute Nachrichten mitgebracht. Das musste doch auch etwas zählen, oder?
    Niemand im Haus schien sein Kommen bemerkt zu haben. Auch als die Kutsche mit quietschenden Rädern auf dem Kiesrondell wendete und in Richtung Hall zurückfuhr, streckte keiner seinen Kopf aus der Tür oder kam mit offenen Armen angelaufen. Georg kräuselte die Stirn. Hatte sich Elisabeth womöglich schon zur Nachtruhe gelegt? Er verbat sich jeden Gedanken an Rosa. Morgen. Morgen würde er zu Rosa gehen. Bevor sein Blick sehnsüchtig in Richtung ihrer Hütte streunen konnte, packte er seine beiden Koffer und ging die Treppe zum Haus hinauf. Noch immer kam ihm niemand entgegen. Seltsam.
    Es war so ruhig hier! Nach dem ganzen Trubel war er die Stille einfach nicht mehr gewöhnt. Es schien keine Jagdgesellschaft stattzufinden, sonst wären mehr Räume als nur das Speisezimmer beleuchtet gewesen. Georg überlegte kurz: War es Freitag oder Samstag? Mit zugekniffenen Augen versuchte er, im Nachtdunkel die fünf Rauchwolken über den Sudhäusern zu erkennen. Nichts. Also musste es Freitag sein.
    Sein Blick fiel auf die bronzene Rehskulptur über der Tür, die er mit Schwung öffnete. »Ich bin wieder hier!« Seine fröhliche Begrüßung hörte sich lächerlich an und verstärkte plötzlich sein schlechtes Gewissen nur. Er stieß Fredericks Bürotür auf. Es überraschte ihn nicht, dass drinnen alles dunkel war. Es hätte ihn eher gewundert, wenn sein Vater um diese Zeit noch gearbeitet hätte.
    Mit ausholenden Schritten ging er den Gang entlang und nickte jedem Ahnenbild zu. Nur aus dem zweitletzten Zimmer drang Licht, doch nirgendwo hörte er Stimmen.
    Georg öffnete die Tür und erstarrte.
    »Viola! Was sitzt du hier fast im Dunkeln? Wo sind die anderen? Wo ist Vater? Ich bin wieder zu Hause«, fügte er überflüssigerweise noch hinzu.
    Violas Blick war unkonzentriert. »Georg?« fragte sie.
    »Ja, ich bin’s wirklich!« Während er lachte, spürte er, wie etwas in ihm hochstieg, was er lange nicht mehr empfunden hatte. Verzweiflung, das Gefühl von Unzulänglichkeit. Das Gefühl, einer Situation nicht gewachsen zu sein.
    Er war wieder zu Hause.
    Doch etwas war hier nicht in Ordnung. Ganz und gar nicht in Ordnung. Sein Blick fiel auf den Tisch, der nur drei Gedecke aufwies. Auf zweien davon kräuselten sich drei vertrocknete Scheiben Schinken, neben denen ein Klecks Senf braun und runzelig

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