Die satten Toten: Ein Fall für Karl Kane (Band 2) (German Edition)
Fenstern auf den roten Betonboden herab und wurde von den rissigen Fliesen um Toilette und Waschbecken herum reflektiert. Schatten wuchsen auf den massiven Schlössern der schweren Türen mit ihrer abblätternden Farbe.
Das nackte und völlig verängstigte junge Mädchen schlich verstohlen, mit Blasen an den blutigen Füßen dahin. Zaghaft berührte sie die lepröse Wand mit den Händen und tastete sich in der Dunkelheit voran.
Die Oberfläche bröckelte augenblicklich unter der Berührung.
Scheiße!
Schuppen der Metallfarbe bohrten sich schmerzhaft in ihre Finger. Blut floss. Hastig schmierte sie das Blut an die Wände und wusch die Fingerspitzen in Staub und Spinnweben. Es tat höllisch weh, doch sie gab keinen Laut von sich.
Nach jedem Wandabschnitt unterbrach ein Alkoven die Gerade. Irgendwelche Metalltüren. Könnte sie doch nur besser sehen. Der Gestank von Angst durchdrang die stickige Dunkelheit. Als wäre die Dunkelheit etwas Lebendiges.
S-s-so k-k-kalt.
Ihre Zähne klapperten. Sie schlotterte unkontrolliert, als die Mischung aus Angst und Kälte ihre Wirkung tat. Sie biss die Zähne zusammen, damit das kastagnettengleiche Klappern
ihn
nicht auf sie aufmerksam machte.
Sie tastete sich langsam voran und fühlte sich schrecklich aufgebläht. Zu dicke Schenkel. Das ungewohnte Körpergewicht vereitelte jeden Ansatz von Schnelligkeit. Eine fremde Masse. Das überflüssige Fett belastete ihre Gelenke; sie atmete schwer.
Die halten dem Druck nicht mehr lange stand. Nicht mehr lange, und sie knicken so ein, dass ich stürze. Das Fett, dieses abscheuliche Fett, erstickt mich.
Plötzlich fühlte sie sich hässlich, als wären ihre Gliedmaßen entstellt und unproportioniert, ohne jede Symmetrie.
Sie verharrte einen Augenblick und horchte. Das Herz schlug ihr bis zum Hals und löschte alle anderen Geräusche aus. Sie wollte das Pochen ausblenden. Sie musste hören, was vor sich ging.
Wo ist er? Beobachtet er mich in diesem Augenblick mit dem Nachtsichtgerät auf seiner hässlichen, grinsenden Visage?
Neben ihrem Herzschlag hörte sie Wasser auf den überschwemmten Betonboden tröpfeln.
Woher kommt das? Ist es dasselbe Tröpfeln, das mir seit Wochen an den Nerven zerrt? Müsste ich mich nicht davon entfernen, statt mich ihm zu nähern?
Die Wand, an der sie sich orientierte, war Teil eines Labyrinths, das sie bei jedem Schritt mehr verwirrte.
Völlig unerwartet glitt sie aus und landete auf rauen Ziegelsteinen. Die grässlichen Schmerzen entlockten ihr einen Aufschrei und ein leises Stöhnen. Die aufgeschürfte Haut brannte wie Feuer. Sie blutete, aber irgendwie fühlte sie sich dadurch lebendiger.
Sie holte insgesamt drei Mal tief Luft und atmete langsam aus. Danach fühlte sie sich ein wenig schwindelig, ging aber dennoch vorsichtig weiter und platschte mit den bloßen Füßen im Wasser auf dem Boden, dass es von der Mauer widerhallte.
O Gott!
In der Ferne ein Licht, ein winziges Rechteck aus Milchglas.
Ein Fenster? O Gott, bitte …
Sie näherte sich dem Licht, dessen rechteckiger Umriss kontinuierlich größer wurde.
Lass es nicht aus den Augen.
Allmählich tat das Licht ihren Augen weh.
Nicht blinzeln! Bloß nicht …
Da! Da drin!
Hastig betrat sie den Raum, in den Licht von außen einfiel. In einer Ecke stand ein kahles Bettgestell mit einem Rost aus Metall.
Scheiße,
dachte sie und erschauerte unwillkürlich. Alte Zeitungen bedeckten den Boden. Fotos aus Zeitschriften zierten die Wände. Nackte und halb nackte junge Frauen in anzüglichen Posen. Die aussahen, als würden sie sie verspotten.
Ihr Magen krampfte sich zusammen.
Über ihr ein großes, vergittertes Drahtglasfenster. Halsbrecherisch hoch oben. Einen Spalt offen. Sie hörte die Geräusche von Autos in der Ferne. Stimmen. Gelächter. Heimelige nächtliche Laute, die sie in den unbeschwerten Zeiten genossen hatte, als sie noch frei gewesen war. Wann? Vor Wochen? Monaten? Die Zeit war zu einem schwarzen, elastischen Band geworden, das sich ihrem Verständnis entzog.
Sie wollte um Hilfe rufen, doch die Angst und ihr Instinkt geboten ihr zu schweigen. Möglicherweise lockte sie damit keine Helfer an …
Denk nach!
Stress und Panik loderten wie ein Feuer in ihrer Brust.
Das Bettgestell!
So leise wie möglich rückte sie es in Richtung des Fensters und versuchte verzweifelt zu verhindern, dass es auf dem kahlen Boden quietschte.
Als sie sich auf das Bett stellte, kam sie verlockend nahe an das Eisengitter heran.
Noch ein paar
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