Die Schakkeline ist voll hochbegabt, ey: Aus dem Leben einer Familienpsychologin (German Edition)
Kinder …
Die Reife ihrer Tochter äußerte sich laut Frau Semmler allerdings darin, dass Serafina mit ihren anderthalb Jahren schon ganz hervorragend sprechen konnte. Sie sagte zu ihrer Mutter Sätze wie: »Liebe Mama, bitte geh nicht. Oder nimm mich wieder mit. Wann kann ich denn endlich wieder bei dir wohnen? Ich warte da schon so lange darauf.«
Dass
ich
Sätze wie diese nicht zu hören bekam, lag übrigens daran, dass das Kind nur mit seiner geliebten Mama so sprach. Das war Frau Semmler selbst natürlich auch schon aufgefallen, und so hatte sie ihre Tochter dazu befragt: »Da hab ich sie gefragt: ›Warum sprichst du denn nicht mit anderen so, wie du mit mir redest?‹ Da sagt sie: ›Du bist meine Mama. Nur mit dir kann ich so reden!‹ Klar, oder? Deswegen weiß eben nur ich, wie gut die sprechen kann. Das macht sie nur, wenn sie mit mir alleine ist. Dann spricht die perfekte Sätze, so wie ich auch. Die will ja auch ständig mit mir schmusen und so. Weil ich halt ihre Mutter bin und so.«
Verständlich, dass Frau Semmler genervt war von meinen ewigen Fragen, wie sie sich denn konkret einen Alltag mit ihrer Tochter und dem Baby, das in wenigen Wochen zur Welt kommen sollte, vorstelle. Mit einem Wunderkind wie Serafina war das nämlich alles ganz leicht. Nicht so wie mit »normalen« Kindern! Nein, Serafina hatte für alles und jeden Verständnis und durchblickte natürlich auch die undurchsichtigen Familienverhältnisse, in denen sie lebte.
Herr Börner, der Vater des Ungeborenen, den Serafina bislang erst dreimal gesehen hatte, war für sie natürlich längst wie ein Vater: »Er ist ja der Vater von dem Baby in deinem Bauch. Also ist er jetzt genauso mein Vater. Ich finde das schön, dass wir dann alle eine Familie sind«, habe die Kleine ihrer Mutter erklärt.
Erfreulicherweise, so Frau Semmler, würde auch das zweite Kind ein ganz besonders kluges Exemplar werden, was bereits an seinem pränatalen Verhalten erkennbar war. Das Baby und Serafina verstünden sich nämlich schon jetzt ganz ausgezeichnet und hätten eine gute Beziehung zueinander. Dies merkte Frau Semmler daran, dass das Baby ganz ruhig werde, wenn Serafina in der Nähe sei, und sich immer »ganz doll« freue, wenn die große Schwester zu ihm komme.
»Wenn die Kleine dann den Kopf auf meinen Bauch legt, dann tritt der nicht wie bei anderen. Dann streichelt der die. Das ist doch super, wie gut die beiden sich jetzt schon verstehen.«
Serafina werde deshalb ganz sicher nicht eifersüchtig auf das Baby sein. Außerdem hatte sich Frau Semmler überlegt, dass sie sich einfach »immer um beide gleichzeitig« kümmern werde.
All das klingt doch ganz wunderbar, oder?
Wie schön auch, dass Frau Semmler nie unter Schlafmangel leiden würde, weil das Baby nämlich nachts durchschlafen wird. Woher Frau Semmler das wusste? Na, weil es doch jetzt auch schon durchschlief. Woher sie das wiederum wusste? Weil … das spürte sie eben …
Serafina blieb auch nach der Begutachtung bei der Oma. Ein regelmäßiger Kontakt zur Mutter wurde zwar vereinbart, von Frau Semmler aber nicht eingehalten.
Zum ungeborenen Kind befragt, regte ich an, dass Frau Semmler gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten in eine Eltern-Kind-Einrichtung gehen sollten, wo die Eltern die notwendigen Hilfen bekämen und gleichzeitig kontrolliert würde, ob und wie sie mit dem Neugeborenen zurechtkämen.
Der Lebensgefährte weigerte sich jedoch, dieses Angebot anzunehmen. Es stellte sich später heraus, dass er davon lebte, bevorzugt vor Banken und an EC -Automaten herumzulungern, um dann alten Damen die Handtaschen zu entreißen und wegzurennen. Frau Semmler stimmte zwar zunächst zu, überlegte es sich dann im Krankenhaus, kurz vor der Geburt ihres Sohnes, aber anders und erklärte, sie sehe nicht ein, in eine solche Einrichtung zu gehen. Sie benötige ohnehin keinerlei Hilfen.
Nach der Geburt kümmerten sich Frau Semmler und ihr Lebensgefährte kaum um ihren Sohn, sondern verließen ständig das Krankenhaus ohne ihn, kamen zu den vereinbarten Zeiten nicht wieder zurück, um ihren Sohn zu versorgen, und stritten sich lautstark und mit Handgreiflichkeiten im Beisein des Neugeborenen. Bei den wenigen Gelegenheiten des Fütterns und Wickelns machten sie mehr falsch als richtig und ließen sich von den Schwestern und Ärzten nicht helfen.
Frau Semmler stellte schließlich selbst fest, dass »das irgendwie doch nicht so das Wahre ist« mit ihrem Sohn.
Sie verließ das
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