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Die Schakkeline ist voll hochbegabt, ey: Aus dem Leben einer Familienpsychologin (German Edition)

Die Schakkeline ist voll hochbegabt, ey: Aus dem Leben einer Familienpsychologin (German Edition)

Titel: Die Schakkeline ist voll hochbegabt, ey: Aus dem Leben einer Familienpsychologin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Seeberg
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Krankenhaus ohne ihn und kündigte an, sich »in den nächsten Tagen mal zu melden«. Was sie aber nicht tat.
    Also nahm das Jugendamt den kleinen Jungen in Obhut und vermittelte ihn in eine Dauerpflegefamilie. Auch zu diesem Kind hielt Frau Semmler den Kontakt nicht aufrecht und nahm auch keine weiter gehenden Hilfen wie Therapie, Betreuung oder Beratung in Anspruch.
    Sie trennte sich von ihrem Lebensgefährten, nachdem dieser bei einem gemeinschaftlichen Raubüberfall mit seinen Kumpels aus der Eckkneipe verhaftet und inhaftiert wurde. Sie hatte ihn noch einmal im Gefängnis besucht, war dort aber auf seine hochschwangere Zweitfreundin getroffen und hatte eine Beziehung mit dem Bruder dieser Freundin begonnen, bis dieser ebenfalls ins Gefängnis musste.
     
    Für beide Kinder ging das Ganze vergleichsweise gut aus: Serafina und ihr Bruder leben in Familien, in denen sie stabile Beziehungen haben. Es wird dafür gesorgt, dass die Geschwister Kontakt zueinander haben.
    Leider weiß ich nicht, was aus Frau Semmler wurde. Ich befürchte, dass sich nicht viel in ihrem Leben geändert hat, hoffe aber, dass sie vielleicht eines Tages doch gemeinsam mit dem richtigen Partner etwas mehr Ruhe und Stabilität in ihr eigenes Leben gebracht hat.

Und täglich grüßt der Weihnachtsmann
    Heute war Weihnachten.
    Jawohl. Im März. Weihnachten.
    Warum auch nicht? Oder anders gefragt: Warum zum Teufel?
     
    Ich hatte eine Großmutter, Frau Reinhardt, zu begutachten. Sie hatte das Sorgerecht für ihre fünfjährige Enkeltochter beantragt. Die Mutter des Mädchens, Frau Reinhardts Tochter, war seit Jahren immer wieder monatelang in psychiatrischer Behandlung, und der Vater des Mädchens traute sich die alleinige Betreuung nicht so recht zu. So war die kleine Anna-Lena zunächst einmal bei einer Bereitschaftspflegefamilie untergebracht worden.
    Ich hatte die Großmutter dort schon in der Interaktion mit ihrem Enkelkind erlebt und war der Meinung, dass Anna-Lena nur dann bei ihrer Großmutter würde leben können, wenn diese bereit wäre, viel Hilfe anzunehmen – und Ratschläge auch umzusetzen. Ich hatte nicht besonders viel Hoffnung, dass das möglich sein würde.
    In der Interaktionsbeobachtung hatte sie Anna-Lena erklärt, dass es »was ganz, ganz Schlimmes« sei, reich zu sein.
    Nun kann man ja zu Reichtum seine eigene Meinung haben, die Begründung der Großmutter war allerdings recht erstaunlich: »Wenn man viel Geld hat, Anna-Lena, dann muss man immer Angst haben, dass man umgebracht wird. Immer. Tag und Nacht. Nachts ganz besonders. Weil da nämlich die Leute kommen, die einen umbringen wollen.«
    Ich war sprachlos.
    »Weißte, Anna-Lena, Geld verdienen ist nicht gut. Die Leute, die Geld verdienen, die sind ganz unglücklich und haben immer Angst, weil sie ja nie wissen, ob nicht bald so einer kommt, der dann …«
    Ich unterbrach Frau Reinhardt mit einer zugegebenermaßen nicht besonders klugen Frage nach dem Datum des nächsten gemeinsamen Termins. Sie schaute mich ein wenig irritiert an, während sie antwortete, aber immerhin hörte sie auf, Anna-Lena von Leuten zu erzählen, die nachts kommen, um Menschen zu töten, die Geld verdienen.
    Frau Reinhardt gestaltete den Kontakt zu ihrem Enkelkind, indem sie Anna-Lena malen ließ und dabei vor sich hin redete. Ihre übrigen Themen waren weniger morbide, aber dennoch nicht so wirklich geeignet für einen Sonntagnachmittag mit einer Fünfjährigen.
    Frau Reinhardt ließ sich zum Beispiel ausführlich darüber aus, dass der Werner (es schien sich um ihren Nachbarn, wahlweise ihren Friseur, zu handeln) Hämorrhoiden habe, was sicher daran liege, dass er zu viel rauche. Ich war ganz erstaunt, dass der Grund für Werners Hämorrhoiden nicht an einem regelmäßigen Einkommen lag, da war Frau Reinhardt schon beim nächsten Thema. Sie erläuterte der vor sich hin malenden Anna-Lena, dass das Wetter auch immer schlechter werde und in ein paar Jahren gar keine Sonne mehr scheinen könne. Schuld daran seien »die da oben«, die immer nur an den eigenen Vorteil denken würden und überhaupt generell nur saudumme Ideen hätten. Und viel zu viel verdienen würden.
    Anna-Lena malte mittlerweile das zweite Haus mit Garten und Sonne rechts oben mit Grinsegesicht. Vielleicht hörte sie ihrer Oma ja gar nicht zu. Ich hoffte es.
     
    Da Frau Reinhardt nun unbedingt ihr Enkelkind bei sich im Haushalt haben wollte und ich noch ein Gespräch mit ihr führen musste, machte ich einen Hausbesuch.
    Ja,

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