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Die Schale der Winde

Die Schale der Winde

Titel: Die Schale der Winde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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sieben weitere der Frauen, die an diesem seltsamen Treffen teilgenommen hatten, in das Mat am Vorabend hineingeplatzt war, befanden sich ganz in der Nähe. Reanne trug als einzige den roten Gürtel einer Weisen Frau. Er hatte halbwegs erwartet, daß sie heute morgen nicht erscheinen würden. Sie besaßen die Züge von Frauen, die es gewohnt waren, ihr eigenes Leben und das Leben anderer zu beherrschen, und die meisten hatten zumindest ein wenig Grau im Haar, und doch beobachteten sie Elayne mit dem frischen Gesicht in erwartungsvoller Haltung, anscheinend auf Zehenspitzen, als seien sie bereit, auf ihren Befehl hin zu springen. Sie alle zogen jedoch nicht einmal die Hälfte von Mats Aufmerksamkeit auf sich. Keine von ihnen war die Frau, bei der er am liebsten aus der Haut gefahren wäre. Tylin bewirkte, daß er sich fühlte wie ... nun ... ›hilflos‹ war das einzige Wort, das anscheinend paßte, wie lächerlich es auch schien.
    »Wir brauchen sie nicht, Herrin Corly«, sagte Elayne. Die Tochter-Erbin klang wie eine Frau, die einem Kind den Kopf tätschelte. »Ich habe ihnen gesagt, sie sollen hierbleiben, bis wir zurückkehren. Wir werden weniger Aufmerksamkeit erregen, besonders bei der Überquerung des Flusses, wenn keine der älteren Aes Sedai dabei ist.« Ihre Vorstellung davon, was man beim Besuch des verrufensten Teils der Stadt tragen sollte, ohne Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, zeigte sich in einem breiten grünen Hut mit grün gefärbten Federn, einem leichtem Staubmantel aus grünem Leinen mit den Rücken hinab verlaufenden, eingearbeiteten goldenen Schnörkeln und einem hochgeschlossenen grünen Seidenreitgewand mit goldener Stickerei auf den geteilten Röcken und um den ovalen Ausschnitt, der die Hälfte ihres Busens freigab. Sie trug sogar eine jener Halsketten für einen Hochzeitsdolch. Das breite Band aus geflochtenem Gold würde die Hand jedes Diebes im Rahad zucken lassen. Außer einem kleinen Gürtelmesser hatte sie keine Waffe bei sich. Aber welche Waffe brauchte eine Frau auch, welche die Macht lenken konnte? Natürlich steckte in jedem jener roten Gürtel ein gebogener Dolch. Wie auch in Reannes Gürtel aus schlicht gearbeitetem Leder.
    Reanne nahm ihren großen blauen Strohhut ab, betrachtete ihn stirnrunzelnd, setzte ihn dann wieder auf und band ihn erneut zu. Anscheinend störte sie Elaynes Tonfall nicht. Sie setzte ein zaghaftes Lächeln auf und fragte in schüchternem Tortfall: »Aber warum glaubt Merilille Sedai, daß wir lügen, Elayne Sedai?«
    »Sie tun es alle«, erwiderte eine der Rotgürtel atemlos. Sie alle trugen Ebou Dari-Gewänder in gedeckten Farben mit schmalen, riefen Ausschnitten und an einer Seite hochgenähten Röcken, die mehrere Unterröcke freigaben, aber nur diese hagere Frau mit mehr Weiß als Schwarz in ihrem langen Haar hatte die olivfarbene Haut und die dunklen Augen einer Ebou Dari. »Sareitha Sedai hat mir ins Gesicht gesagt, ich sei eine Lügnerin, was unsere Anzahl betrifft und unsere... «
    Sie brach ab, als Reanne die Stirn runzelte und sagte: »Seid still, Tamarla.« Herrin Corly würde vielleicht bereitwillig einen Hofknicks vollführen und ein Kind einfältig anlächeln, wenn das Kind eine Aes Sedai war, aber ihre Begleiterinnen hatte sie fest im Griff.
    Mat blickte stirnrunzelnd zu den Fenstern im Hof hinauf, die er von seinem Standort aus sehen konnte. Einige wurden von kunstvoll gearbeiteten, weißen, schmiedeeisernen Sichtschutzen verdeckt, andere von weißen Holzschirmen mit kunstvoll geschnitztem Lochmuster. Tylin war vermutlich nicht dort oben, und sie würde wahrscheinlich auch nicht im Stallhof auftauchen. Er hatte sich sehr leise angezogen, um sie nicht aufzuwecken. Außerdem würde sie hier nichts versuchen. Zumindest glaubte er nicht, daß sie es tun würde. Andererseits - würde die Frau, die ihn gestern abend in den Gängen von einem halben Dutzend Dienerinnen ergreifen und in ihre Räume zerren ließ, vor irgend etwas zurückschrecken? Die verdammte Frau behandelte ihn wie ein Spielzeug! Er würde sich das nicht mehr gefallen lassen. Er würde es nicht tun. Licht, wen wollte er zum Narren halten? Wenn sie nicht diese Schale der Winde fanden und Ebou Dar verließen, würde Tylin ihn heute abend erneut in den Hintern zwicken und ihn ihre kleine Taube nennen.
    »Es liegt an Eurem Alter, Reanne.« Elayne klang eigentlich nicht zögernd - das tat sie niemals -, aber sie äußerte sich sehr vorsichtig. »Aes Sedai empfinden es als unhöflich,

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