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Die Schale der Winde

Die Schale der Winde

Titel: Die Schale der Winde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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als ein Schattenfreund geworden. Daß Sammael nach Shadar Logoth geflohen war, schien auf mehr als eine Art wie die Vollendung eines Kreises. Rand durfte jetzt, wo er den Weg eröffnete, keine Zeit mehr verschwenden. Noch bevor das Wegetor aufhörte, sich auszudehnen, lief er hinkend hindurch in die verheerte Stadt, die einst Aridhol genannt worden war, und ließ das Wegetor im Lauf los, während seine Stiefel auf zerbrochenen Pflastersteinen und totem Laub knirschten.
    Er duckte sich um die erste Ecke, die er erreichte. Der Boden erbebte unter seinen Füßen, als ihm Donnergrollen aus der Richtung nachhallte, aus der er gekommen war. Lichtblitz auf Lichtblitz flammte in der dämmerigen Dunkelheit auf. Er spürte Erde und Feuer und Luft über sich hinwegfegen. Schreie und Gebrüll übertönten das donnernde Krachen. Er hinkte davon, ohne sich umzusehen, während Saidin in ihm pulsierte. Er lief, und da die Macht ihn erfüllte, konnte er sogar in den dunklen Schatten deutlich sehen.
    Rund um die große Stadt lagen riesige Marmorpaläste mit jeweils vier oder fünf Kuppeln verschiedener Formen, die durch die untergehende Sonne karmesinrot leuchteten. Brunnen und Statuen aus Bronze standen an jedem Kreuzungspunkt, und es gab große Flächen mit Säulen, die zu hoch vor der Sonne aufragenden Türmen verliefen. Zumindest die heilen Säulen ragten vor ihr auf, aber weitaus mehr endeten jäh gezackt. Für jede heile Kuppel gab es zehn zerborstene, deren Gewölbe ganz oder teilweise zerstört waren. Auch Statuen waren umgestürzt, oder es fehlten Arme oder Köpfe. Die sich rasch verdichtende Dunkelheit zog schnell über die weit verstreuten Schutthaufen, und die wenigen verkümmerten Bäume, die sich als verdrehte Gestalten an die Hänge klammerten, erschienen vor dem Himmel wie abgebrochene Finger.
    Ziegel und Steine breiteten sich fächerförmig über den Weg aus, der von einem Gebäude wegführte, das vielleicht einmal ein kleiner Palast gewesen war. Die halbe Vorderfront fehlte, und der Rest der mit Säulen versehenen Fassade war der Straße zugeneigt. Rand blieb mitten auf der Straße kurz vor dem Fächer stehen, wartete und versuchte, jemand anderen Saidin lenken zu spüren. Es war keine gute Idee, sich an den Straßenrand zu halten, und das nicht nur, weil sämtliche Gebäude jederzeit einstürzen konnten. Tausend unsichtbare Augen schienen ihn aus den Fenstern wie aus tiefen Augenhöhlen zu beobachten, schienen ihn mit einem fast greifbaren Gefühl der Erwartung anzustarren. Er spürte vage, daß die frische Wunde an seiner Seite pochte, ein Aufflammen, welches das selbst dem Staub Shadar Logoths anhaftende Böse nachahmte. Die alte Narbe krampfte sich wie eine Faust zusammen. Der Schmerz in seinem Fuß schien unwirklich und sehr fern. In der Nähe pulsierte das Nichts selbst um ihn herum, der Makel des Dunklen Königs auf Saidin im Gleichklang mit dem Dolchriß über seinen Rippen. Shadar Logoth war bei Tage ein gefährlicher Ort. Bei Nacht...
    Die Straße hinab, jenseits eines spitz zulaufenden Denkmals, das wundersamerweise noch aufrecht stand, bewegte sich eine Schattengestalt, die in der Dunkelheit über den Weg huschte. Rand hätte fast die Macht gelenkt, aber er konnte nicht glauben, daß Sammael so unvorsichtig sein würde. Als er die Stadt betreten hatte, als Sammael alles rund um sein Wegetor zu vernichten versuchte, hatte Rand schreckliche Schreie gehört. Sie hatten es dort kaum bemerkt. Nichts lebte in Shadar Logoth, nicht einmal Ratten. Sammael mußte Gefolgsleute herbeigebracht haben, Burschen, die er ohne Zögern töten würde, um Rand zu erreichen. Vielleicht konnte einer von ihnen Rand zu Sammael führen. Er eilte so schnell und lautlos wie möglich voran. Das zerbrochene Pflaster knirschte mit dem Geräusch brechender Knochen unter seinen Stiefeln. Er hoffte, daß es nur für sein durch Saidin verfeinertes Gehör laut klang.
    Er hielt am Fuß des Denkmals inne, ein Obelisk, der mit schwungvoller Schrift bedeckt war, und spähte voraus. Wer auch immer sich dort bewegt hatte, war fort. Nur Narren oder überaus Tapfere betraten Shadar Logoth bei Nacht. Das Böse, das Shadar Logoth befleckte und Aridhol vernichtet hatte, war nicht mit Aridhol gestorben. Weiter die Straße entlang schwebte eine Ranke silbergrauen Nebels aus einem Fenster und kroch auf eine weitere Ranke zu, die aus einem breiten Spalt in einer hohen Steinmauer heranwehte. Die Tiefe dieses Spalts schimmerte, als reiche das Licht des

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