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Die scharlachrote Spionin

Die scharlachrote Spionin

Titel: Die scharlachrote Spionin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Pickens
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Einbildungskraft also nicht allzu sehr strapazieren, um sich vorstellen zu können, dass der Fechter aus Mailand ...
    »Achten Sie auf Ihre Schritte, Sofia!«, erinnerte Mrs. Merlin wieder.
    Achten Sie auf Ihre Schritte. Die Worte könnten das Mantra für die kommenden Wochen bilden.
    »Sie müssen stets ruhig, souverän und beherrscht wirken«, fügte die Direktorin hinzu.
    Sofia nickte, obwohl es in ihrem Innern rumorte. Die Reisekoffer standen bereits in der Halle, vollgestopft mit kostbarer Seide und glitzernden Juwelen, durch die sich ein Niemand in eine noble Lady verwandeln würde. Mit den Fingerspitzen befühlte sie das flache goldene Medaillon unter dem mit Spitzen verzierten Schultertuch. Anders als im Märchen gab es keinen goldenen Zauberstab, um ihr bei der Verwandlung zu helfen.
    Alle miteinander konnten nur hoffen, dass Mrs. Merlins Zauberei ausreichen würde.
    »Ausgezeichnet!« Die Direktorin setzte ihr Lorgnon ab und zwickte sich in den Nasenrücken. »Ich denke, wir können den Unterricht beenden. Lassen Sie uns noch einen Tee trinken, bevor die Kutsche eintrifft.«
    Sofia nahm auf dem Sofa Platz und zupfte die Seide zurecht. »Danke«, erwiderte sie mit einem Hauch Arroganz, »Sie haben ja keine Ahnung, wie schwer es ist, in Rom einen anständigen Tee zu bekommen! Nur wenn ich mich in meiner Sommerresidenz in der Nähe von Venedig aufhalte, will es meinem Koch gelingen, eine ordentliche Oolong-Mischung aus Ceylon zu besorgen.«
    »Der Akzent ist perfekt«, gratulierte Marco, »du hast ein gutes Ohr für das Italienische, bella.«
    Sofia lächelte. »Schließlich habe ich dir lange genug gelauscht, wenn du mir deine süßlichen Nichtswürdigkeiten ins Ohr geraunt hast. Es ist, als ob man sich reibt, und irgendwann bleibt etwas kleben.«
    »Ein Jammer, dass die Zärtlichkeiten nicht meinen Händen anvertraut worden sind!«
    »Benimm dich!«, murmelte Sofia.
    »Ah, ja, beinahe hätte ich es vergessen. Ich muss wie ein Gentleman auftreten. Wie unendlich ...« Mit den Lippen formte er das Wort »langweilig« und zwinkerte ihr zu.
    Sofia unterdrückte ein Lachen. »Bald geht es los.«
    Dampf wirbelte auf, als Mrs. Merlin heißes Wasser über die Teeblätter goss. »Nun, Marco wird ebenfalls nach London reisen. Lord Lynsley kümmert sich darum, dass Ihnen eine englische Begleitung zur Seite steht, die Ihnen den Weg in die Gesellschaft erleichtern wird. Aber in Anbetracht der Schwierigkeiten dieser Mission haben wir entschieden, dass es nicht schaden kann, einen Verbündeten an der Hand zu haben. Außerdem werden seine amourösen Aufmerksamkeiten das Interesse der übrigen Gentlemen entfachen und deren Blicke auf Sie ziehen.«
    Marco verkniff sich ein boshaftes Lächeln.
    »Ich vertraue darauf, dass ich Sie nicht daran erinnern muss, es mit dem Theater nicht zu übertreiben«, mahnte die Direktorin mit erhobenem Finger.
    »Non, non. Wenn ich mich anstrenge, Signora Merlin, kann ich mich an sämtliche Regeln der Etikette erinnern.«
    Sofia zog zweifelnd die Brauen hoch. »Es schaudert mich, wenn ich daran denke, wo du deine Ausbildung absolviert hast.«
    Marco warf ihr einen übertrieben vorwurfsvollen Blick zu. »Meine Familie trägt einen der ältesten und respektabelsten Namen in der gesamten Lombardei.«
    Zweifelnd wandte Sofia den Blick zu Mrs. Merlin und bemerkte, dass die Direktorin nickte. »Ich denke, es ist höchste Zeit, dass wir einige Missverständnisse bezüglich unseres zweiten Fechtmeisters aus dem Weg räumen. Marco heißt mit vollem Namen Giovanni Marco Musto della Ghiradelli, Erbe des Conte of Como und seines Vermögens.«
    »Ein verdammter Graf?« Sofia konnte ihre Erschütterung kaum verbergen.
    Marco sah sie entschuldigend an. »Eine Lady sollte nicht fluchen, bella!«
    »Stimmt. Wenn ich es genau bedenke, sollte ich dich lieber mit bloßen Händen erwürgen.« Sofia fühlte sich betrogen. In Marco hatte sie stets eine verwandte Seele erkannt - einen verwegenen Kerl, der sich nirgendwo auf der Welt zu Hause fühlte. Doch stattdessen reichte seine illustre Ahnentafel weit in die vergangenen Jahrhunderte zurück, und nun fühlte sie sich noch einsamer.
    »Verdammt noch mal, du hast mich angelogen!«
    Sein amüsierter Gesichtsausdruck war in Sekundenschnelle verflogen. »Niemals. Mag sein, dass ich meine Herkunft teilweise im Dunkeln gelassen habe, aber ich habe dir niemals etwas gesagt, was nicht der Wahrheit entspricht.«
    »Das läuft auf das Gleiche hinaus!«, schnappte sie. »Du

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