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Die Schatten von Belfast

Die Schatten von Belfast

Titel: Die Schatten von Belfast
Autoren: Stuart Neville
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dass sie viel finden werden. Es war ein sauberer Job. Professionell.«
    Hargreaves verspürte eine Brise der Erleichterung. »Wir glauben also nicht, dass es etwas Politisches war? Ich brauche Ihnen ja nicht zu erklären, wie unangenehm es sonst würde.«
    »Nein, Sir, brauchen Sie nicht. Bis jetzt deutet vieles darauf hin, dass hier irgendein Deal schiefgelaufen ist. Wir haben bereits den Betrunkenen verhört, aber der wusste nicht viel, ungeachtet dessen, um wen es sich handelt.«
    Die erleichternde Brise war fort, und Hargreaves machte sich wieder auf den Weg zu seinem Ball. »Was soll das heißen? Um wen handelt es sich?«
    »Gerald Fegan. Er steht im Verdacht, nicht weniger als zwölf Morde verübt zu haben, davon zwei, während er auf Hafturlaub zur Beerdigung seiner Mutter war. Verurteilt wurde er wegen eines Bombenanschlags 1988 auf einen Metzgerladen in der Shankill Road. Dabei kamen drei Menschen ums Leben, darunter eine Mutter und ihr Baby. Er war ein Fußsoldat. Einer ihrer besten - oder schlimmsten, je nach Standpunkt. Kurz gesagt, ein Killer.«
    »Und der ist nicht verdächtig?«
    »Gegenwärtig nicht. Seit seiner vorzeitigen Entlassung hat er sich mucksmäuschenstill verhalten, und das war …« Hargreaves hörte Papier rascheln.
    »Anfang 2000. Soweit ich mitbekommen habe, hatte er vor seiner Entlassung einige psychische Probleme, und in letzter Zeit spricht er dem Alkohol zu.«
    Die Brise der Erleichterung wehte wieder. »Verstehe«, sagte Hargreaves, während er sich dem Ginstergebüsch näherte, das seinen Ball verschluckt hatte. »Es ist also nichts Politisches. Wir sollten zusehen, dass es dabei bleibt, nicht wahr?«
    »Natürlich, Sir. Die Politiker aller Lager drücken zwar schon auf die Tube, um möglichst viel Kapital aus der Sache zu schlagen, aber das war ja zu erwarten. Keine Sorge, wir halten den Deckel drauf.«
    »Guter Mann«, sagte Hargreaves. Er beendete das Gespräch, schob das Telefon wieder in seine Tasche und trat gegen den Ginster. »Also, wo ist jetzt dieser verdammte Ball?«

Der Wetzstein glitt über den Hals der Gitarre und trug die Bunde ab. Fegan liebte das Gefühl, das dabei durch seine Hand lief, durch sein Handgelenk, seinen Unterarm und bis hinauf in die Schulter. Das Gefühl, wie der geölte Stein über das Metall glitt. Der schiffchenförmige Block fuhr von einem Ende des Griffbretts bis zum anderen und schliff dabei Jahre der Abnutzung weg. Wenn man zu viel Druck ausübte, zerstörte das die Bunde. Bei zu wenig blieb die Lackierung uneben, und die Gitarre war nicht spielbar. Es war alles eine Frage von Ruhe und Geduld.
    Das hatte ihm Ronnie Lennox beigebracht.
    Fegan hatte Stunden um Stunden in der Werkstatt des Maze Prison zugebracht und dem alten Mann bei seinem Handwerk zugeschaut. Ronnie hatte es gehasst, mit den anderen Loyalisten eingesperrt zu sein, deshalb hatten ihm die Wachleute erlaubt, sich in einer eigenen Ecke der Schreinerei aufzuhalten. Wenn die republikanischen Gefangenen mit dem Schreinern an der Reihe waren, tolerierten sie seine Anwesenheit, da sie ihn für harmlos hielten, und ließen sich von ihm sogar ein paar Dinge beibringen. Fegan passte immer ganz genau auf. Ronnies feinfühlige Hände waren übersät mit Narben von in Jahrzehnten erlittenen Wunden und Abschürfungen durch seine Arbeit auf der Werft. Bevor er die schreckliche Tat begangen hatte, die ihn ins Gefängnis gebracht hatte, war er Schiffszimmermann gewesen. Wie so viele Männer, die dort gearbeitet hatten, war ihm das rasselnde Keuchen geblieben, das vom Asbest in der Lunge herrührte.
    Es waren Ronnies Hände, an die Fegan sich am meisten erinnerte, und er kannte auch den Grund. Sie waren wie die seines Vaters. Auch der war, wenn er einmal Arbeit fand, Zimmermann gewesen. Nur hatte ihn, weil er Katholik war, nie eine Werft eingestellt.
    Neben den schlechten Zeiten, wenn er stockbesoffen nach Hause kam, hatte es auch gute Zeiten gegeben. Zum Beispiel einen Tag, als Fegan noch sehr klein gewesen war. Sein Vater hatte sich ein Auto geliehen und war mit ihm und seiner Mutter nach Portaferry am Ufer des Strangford Lough gefahren. Dreimal schipperten sie über den Lough und wieder zurück, nur weil es so viel Spaß machte, mit der Fähre zu fahren. Danach ging sein Vater in den Pub, während Fegan und seine weinende Mutter mit dem Bus nach Belfast zurückfuhren. Drei Tage kam sein Vater nicht nach Hause.
    Von allen Einzelheiten dieser schönen Momente, von denen es herzlich wenig
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