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Die Schatten von Belfast

Die Schatten von Belfast

Titel: Die Schatten von Belfast
Autoren: Stuart Neville
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verrichtet hatten, anstatt sich einfach über Privatschulen und ein Studium in Oxford oder Cambridge in eine solche Position zu hieven. Er war gnadenlos gegenüber jedermann, besaß aber einen scharfen politischen Verstand, der sein ungeschlachtes Außeres Lügen strafte. Er wusste, wann es zu poltern galt und wann zu flüstern. Wenn Pilkington statt einem der ranghöchsten Polizeiposten im Lande eine Parlamentskarriere angestrebt hätte, säße er jetzt im Kabinett, dessen war Hargreaves sich sicher. In der Umbruchphase, als man die Royal Ulster Constabulary aufgelöst hatte, hatte er den obersten Job in der neuen Polizeitruppe übernommen. Es war eine Testphase gewesen, aber er hatte sie überstanden und das Unmögliche möglich gemacht, indem er sich den Respekt der gesamten nordirischen Gesellschaft erworben hatte, auch wenn er ihm auch aus einigen Lagern nur grollend gezollt wurde.
    »Wer ist es gewesen?«, fragte Hargreaves. »Loyalisten? Dissidenten?«
    »Weder noch, glauben wir. Die Tat wurde aus nächster Nähe ausgeführt, es gibt keine Anzeichen eines Kampfes. Wir sind uns ziemlich sicher, dass es jemand war, den er kannte.«
    »Seine eigenen Leute?« Hargreaves machte sich auf den Weg zu seinem Ball, Compton und der Caddy folgten.
    »Unwahrscheinlich«, sagte Pilkington. »Es hat keinerlei Anzeichen für irgendwelche Flügelkämpfe gegeben. Und selbst wenn, würde doch keiner für Unruhe sorgen wollen. Nicht jetzt, wo sie im Stormont mit am Tisch sitzen.«
    »Wer dann? Irgendwas muss ich dem Minister ja sagen können.«
    »Wir wissen, dass McKenna mit ein paar Litauern Geschäfte gemacht hat, die Illegale aus Dublin über die Grenze gebracht haben. Meistens Mädchen für den Sexmarkt.«
    »Hätte gar nicht gedacht, dass McKenna und seinesgleichen sich mit so was abgeben. Das ist doch mehr eine Stärke der Loyalisten.«
    »Die offizielle Parteilinie ist, dass es überhaupt keine kriminellen Aktivitäten gibt, aber sie kontrollieren nicht, was der Einzelne macht. Das lässt Leuten wie McKenna etwas mehr Freiraum für ihre Umtriebe. Wenn damit Geld zu verdienen ist, machen sie es. Und egal, was die Partei sagt, Geld fließt bekanntlich immer noch nach oben.«
    Es verblüffte Hargreaves immer noch, dass die Leute Kriminellen ihre Stimme gaben, obwohl sie darüber genau Bescheid wussten. Er bezweifelte, dass es irgendwo in der Welt ein zynischeres Wahlvolk gab. Der nordirische Durchschnittsbürger konnte bei einer Rede besser zwischen den Zeilen lesen als irgendein politischer Beobachter. Er glaubte kein einziges betrügerisches Wort. Dennoch waren die Ergebnisse an den nordirischen Urnen vollkommen vorhersagbar, egal bei welcher Wahl. Er fragte sich, warum sie nicht einfach alle vier Jahre die konfessionelle Zugehörigkeit erhoben und fertig.
    Bei der letzten Kabinettsumbildung hatte Hargreaves inständig darauf gehofft, einen Kabinettsposten zu bekommen, egal welchen. Doch wie sich herausstellte, war er nicht einmal Nordirland-Minister geworden, obwohl diesen Posten kein Mensch wollte. Nein, er war jetzt der gottverdammte Staatssekretär des Mannes, dessen Posten niemand wollte. Beim Weitergehen mahlte er mit den Kiefern.
    »Haben Sie denn irgendetwas, um die Litauer damit in Verbindung zu bringen?«, fragte er.
    »Eigentlich nicht. Im Augenblick haben wir nur sehr wenige brauchbare Informationen, mit denen wir arbeiten können.«
    »Was haben Sie denn überhaupt?« Hargreaves wartete nicht mehr darauf, dass Compton und der Caddy ihm folgen konnten.
    Morgen früh würde er Compton zum Joggen mitnehmen, damit der in Spielform kam.
    »Wir kennen seine letzten Schritte. Er besaß eine Bar in der Springfield Road. Die Lizenz lief zwar auf seinen Bruder, aber sie gehörte ihm. Von da hat er einen Betrunkenen im Auto nach Hause gefahren. Dreißig bis fünfundvierzig Minuten später erhielt der Wirt dann von ihm einen Anruf. Er sagte, er habe den Betrunkenen zu Hause abgesetzt und sei dann zu den Docks gefahren, um noch jemanden wegen einer geschäftlichen Angelegenheit zu treffen. Wir überprüfen immer noch das Material der Überwachungskameras auf dieser Strecke, aber auf den Bildern, die wir bislang haben, sieht man ihn allein fahren. Die letzte Kamera hat ihn in der York Street aufgenommen, als er unter der Überführung der M3 abgebogen und in Richtung Docks weitergefahren ist. Wir vermuten, dass derjenige, den er traf, es dort getan hat. Der Wagen wird noch von den Forensikern untersucht, aber ich bezweifle,
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